Die Licht-Bringer
Wie eine Gruppe junger Südtiroler eine kongolesische Schule mit Strom versorgte – und eine innovative Photovoltaikanlage per Email und WhatsApp instand hält.
Von Anton Rainer
Als alle Platten montiert, alle Schrauben gesetzt und alle Module verlegt waren, kühlten sich Samuel Thaler und seine Freunde erstmal mit einem Bier ab – dann warteten sie auf den Bischof. Höchstpersönlich sollte der oberste Hirte des Landes einige Tage später einweihen, worauf rund 1.800 Schüler seit Jahren vergeblich warten mussten: Strom für ihre Computer. Als Bischof Théophile Ruboneka dem Projekt schlussendlich seinen Segen gab, sagte er: „Ihr habt uns das Licht gebracht.“
Das College Mwanga in Goma, einer Millionenstadt im Nordwesten der Republik Kongo, ist seit Jahren ein zuverlässiger Partner in der Entwicklungshilfe, die das Land Südtirol auf dem afrikanischen Kontinent leistet. Der Direktor der Schule, Pfarrer Floribert Malemo, verbringt jährlich vier bis fünf Wochen in Reinswald, wo er als Aushilfspriester arbeitet. 2006 finanzierte das Land sogar den Ankauf von 50 Computern mit rund 17.500 Euro – für die Schule und die Stadt Goma ein Vorzeigeprojekt. Nur: Was bringt ein Computer ohne Strom?
Wie schlecht es um die öffentliche Energieversorgung in Goma steht, erfuhr Samuel Thaler im Jahr 2014. Damals reiste der heute 25-Jährige gemeinsam mit drei Freunden auf Einladung Malemos in die Demokratische Republik Kongo. Hauptberuflich ist Thaler als Fliesenleger tätig – doch um die miesen Bedingungen zu erkennen, in denen Gomas Schüler lernen müssen, braucht es keine Infrastruktur-Experten. „Es gab überhaupt nur zwei bis drei Stunden täglich Strom“, erinnert sich Thaler, „wenn er mal floss, liefen die Schüler aus allen Klassen zu den Computern.“ Wenn nicht, dann nicht. Ohne eine ausreichende Anzahl von gut funktionierenden Akkus blieben die Projektoren und PCs einfach aus – alles, was am Stromnetz hing, konnte nicht genutzt werden. Für den Rest mussten zwei im Betrieb äußerst teure Dieselgeneratoren mit einem Jahresverbrauch von 13.500 Litern Treibstoff herangezogen werden.
Kein Wunder also, dass die vierköpfige Gruppe schon bei ihrem ersten Besuch im Jahr 2014 laut über eine Photovoltaikanlage nachdachte. „Direkt unter dem Äquator wäre sowas nicht schlecht“, mutmaßte Thaler damals – und stolperte beinahe zufällig in ein Projekt, das ihn bis Oktober dieses Jahres begleiten sollte.
Mit 75.000 Euro unterstützte die Region das Ansinnen der jungen Wohltäter, Firmen wie die Trend Photovoltaik des Hans Jörg Sinner, Electro Clara und das Bozner Ingenieurbüro „Baubüro“ stellten hunderte Stunden an ehrenamtlicher Arbeit zur Verfügung, bis die Anlage endlich stand – und ausgerechnet in Südtirol zusammengebaut wurde. „Zum Testen“, erinnert sich Thaler, „und weil wir sie unten dann nur mehr montieren und einstecken mussten.“
Im September, zwei Monate, nachdem sie in ein Container-Schiff verfrachtet wurde, kam die Photovoltaik-Anlage schließlich im Kongo an, um das zu tun, wofür sie erfunden wurde: „Jetzt ist auf einmal überall Strom, 24 Stunden zur Verfügung“, heißt es, hörbar enthusiastisch, im Technischen Begleitbericht zum Projekt, „die Menschen sind begeistert, können nicht glauben, was da passiert ist.“ Und das, obwohl man anfangs noch beträchtliche Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit hatte: „Eine der großen Herausforderungen war es, die afrikanische Gelassenheit mit der europäischen Pünktlichkeit zu kombinieren“, so die Initiatoren augenzwinkernd, bis zum Schluss aber habe man „perfekt harmoniert.“ Seit Mitte Oktober ist die Schule für 13- bis 19-jährige Kinder nun mit Strom versorgt. Für Samuel Thaler und die vielen freiwilligen Helfer aber ist die Arbeit bis heute nicht so richtig beendet.
Per E-Mail, WhatsApp und Online-Dienste wird der Solarstrom von Südtirol aus gewartet, schließlich könnte immer wieder mal was schiefgehen. „Die Anlage sollte fünf Jahre fehlerfrei laufen“, sagt Thaler und erwähnt gleichzeitig einen kleinen Ausfall, der schon nach wenigen Wochen elektronischen Support erforderte. Der Netzstrom hatte, typisch für die Infrastruktur in Goma, so schnell ein- und wieder ausgeschaltet, dass ein Wechselrichter schlussendlich den Geist aufgab. Ein paar erschrockene WhatsApp-Nachrichten später („Wir haben keinen Strom!“) wurde der Fehlerteufel in den täglichen Mail-Protokollen gefunden – und per Neustart gelöst. Noch mal gut gegangen: Für Samuel Thaler und die anderen Mitglieder von „Help Goma“ ein IT-Erfolg aus der Ferne – so wie das Projekt an sich eben auch.
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