Aufstand der Hausärzte
Die Hausärzte-Gewerkschaften haben die Verhandlungen mit dem Land abgebrochen. Jetzt drohen die Hausärzte mit einer neuen Arztwahl, bei der über 100.000 Patienten durch die Finger schauen könnten.
von Heinrich Schwarz
Es gebe Licht am Horizont, erklärte Michael Mayr, Ressortdirektor von Sanitätslandesrätin Martha Stocker und Verhandlungsführer mit den Hausärzte-Gewerkschaften, am Dienstag. Beim heiklen Thema des verpflichtenden Patientenabbaus gebe es einen konkreten Vorschlag. Die FIMMG, eine der vier Südtiroler Hausärzte-Gewerkschaften, zeigte sich erfreut, endlich eine Lösung gefunden zu haben.
Gestern Vormittag fand die Sitzung des Landesbeirates statt. Das Ergebnis jedoch ist ein Paukenschlag: Alle vier Gewerkschaften haben die Verhandlungen zum Landeszusatzvertrag abgebrochen.
„Das Land hat wieder mal bewiesen, dass es keine Handschlagqualität hat. Uns wurde ein Text vorgelegt, der den Vereinbarungen komplett wiederspricht“, ärgert sich der FIMMG-Vertreter Domenico Bossio.
Zum besseren Verständnis:
Seit fast zwei Jahren muss in Südtirol der nationale Kollektivvertrag für Hausärzte angewandt werden, nachdem der Landesvertrag gerichtlich gekippt worden war. Seither wird an einem Landeszusatzvertrag gebastelt, der immer wieder für hitzige Diskussionen sorgte – auch weil die Ansichten der Gewerkschaften häufig weit auseinandergehen.
Ein zentraler Punkt im nationalen Vertrag ist die maximale Patientenanzahl von 1.575 pro Hausarzt. Bisher lag die Obergrenze bei 2.000. Falls es in einem Einzugsgebiet zu wenige Ärzte gibt, zahlt das Land weiterhin für alle Patienten. Sind aber alle Stellen besetzt, zahlt das Land für „überschüssige“ Patienten nichts mehr. Der Ärger bei den inzwischen zehn betroffenen Ärzten ist groß. Sie kriegen weniger Geld, wollen aber auch keine langjährigen Patienten hinauswerfen, falls diese nicht freiwillig zu einem neuen Arzt wechseln.
„Der Vorschlag vom Dienstag mit einer Übergangszeit von 48 Monaten hätte angepasst und dann von der Landesregierung genehmigt werden sollen. Das ist jetzt in den Bach gefallen. Das Land spielt nie mit offenen Karten: Wenn etwas vereinbart wird, muss man den nächsten Tag schauen, ob noch alles gleich ist“, so Domenico Bossio.
Groß ist der Ärger auch bei Eugen Sleiter von Cisl Medici: „Es kann nicht sein, dass wir in einem so kleinen Land wie Südtirol eine so große Ungleichbehandlung haben. Es gibt nun Sprengel, in denen über 1.575 Patienten nichts mehr gezahlt wird, während in anderen für über 2.000 Patienten gezahlt wird. Das Land richtet sich die Bestimmungen so, wie es gerade am besten passt. Und wir Hausärzte sollen unseren Patienten sagen, dass sie gehen müssen. Was das Land macht, ist moralisch und ethisch verwerflich. Wir versuchen jetzt, die Bevölkerung wachzurütteln, was da passiert.“
„Uns ist der Kragen geplatzt. Bei so einer Arroganz können wir nicht weitermachen. Dauernd werden falsche Spielchen mit uns gespielt. Wir lassen uns nicht mehr an der Nase herumführen“, sagt auch Simon Kostner von der Gewerkschaft SNAMI. Die Versorgung vor Ort werde scheibchenweise abgebaut, während dem Bürger das Gegenteil vorgegaukelt werde.
Die Gewerkschaften fordern gleiches Recht für alle. Die Ungleichbehandlung der Hausärzte sei nicht tragbar.
LESEN SIE IN DER WOCHENEND-AUSGABE DER TAGESZEITUNG:
– Domenico Bossio über den Plan, die Patientenanzahl bei allen Ärzten auf Null zu stellen
– Im neuen Jahren sind Protestaktionen der Hausärzte möglich
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