Die Machtprobe
Intrigenspiele im hohen Haus: Warum hinter den Kulissen kräftig am Stuhl von Landtagspräsident Roberto Bizzo gesägt wird – und auch die SVP mit dem Sturz des PD-Politikers liebäugelt.
Von Anton Rainer
Kurz bevor Roberto Bizzo im Mai dieses Jahres zum neuen Landtagspräsidenten gewählt wurde, luden ihn die SVP-Spitzen zu einer Geheimsitzung. Philipp Achammer, Thomas Widmann und Dieter Steger zitierten den PD-Abgeordneten zu sich, um die Bedingungen für eine weitere Zusammenarbeit auf den Tisch zu legen. Seine Zusicherungen, sich in Sachen organisatorisch einwandfreier Landtagsführung „erheblich zu bessern“, reichten den Sitzungsteilnehmern offensichtlich nicht aus: „Bizzo musste versprechen, bei strategisch wichtigen Sitzungen seinen Stuhl zu räumen“, erinnert sich ein SVP-Mandatar, „und ihn für Thommy freizumachen.“ Nur dann könne er bei seiner Wahl auch auf die Stimmen der Volkspartei zählen. Bizzo stimmte zu, und vermied damit eine Blamage im Plenum.
Eine Freude, die von kurzer Dauer sein könnte – zumindest wenn es nach einigen Abgeordneten der Mehrheit geht. Seit Wochen regt sich im Landtag Widerstand gegen die eigenwillige Amtsführung des PD-Kollegen, vor wenigen Tagen schließlich eskalierte die Stimmung. Das Rezept für die explosive Mischung: Das Bozner Krankenhaus, Schulferien und eine heillos zerstrittene Partei.
Die sogenannte „Sharm-Woche“, vor rund vier Jahren von der damaligen Landesrätin Sabina Kasslatter-Mur eingeführt, war großen Teilen der italienischen Sprachgruppe schon immer ein Dorn im Auge. Christian Tommasini, schon damals für den Bereich italienische Schule zuständig, hatte von Anfang Bauchschmerzen mit den zusätzlichen Herbstferien, er vermied aber „den offenen Religionskrieg“ mit der Volkspartei. Gerade innerhalb des PD war sein Widerstand vielen zu halbherzig, man warf Tommasini vor, sich mit Zugeständnissen wie dem „Campus delle lingue“ kaufen zu lassen. Immer wieder gab es deshalb Vorstöße vonseiten der Partei, die „Sharm-Woche“ abzuschaffen, zumindest für die italienischen Schulen.
Roberto Bizzo hatte seinen eigenen Versuch in Form eines Beschlussantrages am 14. November dieses Jahres eingebracht: Elf schlagkräftige Gründe für die Abschaffung der zusätzlichen Herbstferien. Christian Tommasini, als Landesrat eigentlich erste Ansprechperson für derartige Pläne, wusste nichts von dem Antrag seines Parteikollegen – und befand sich zum Zeitpunkt der Einbringung gerade im Krankenhaus. Für Tommasini, der sich wegen eines bösartigen Tumors unter das Messer gelegt hatte, ein doppelter Affront: Hatte Bizzo seinen krankheitsbedingten Ausfall tatsächlich ausgenutzt, um ihm in den Rücken zu fallen?
„Ich habe den Christian noch nie so wütend gesehen, er sprach von einer wirklichen ,spaccatura` in der Partei“, erinnert sich ein SVP-Landesrat an die Rückkehr des PD-Politikers in den Landtag. Von Tommasini sei dann auch der Vorschlag gekommen, Bizzo aus seinem Amt zu drängen: „Er hat bei uns vorgefühlt, ob wir einen Misstrauensantrag unterstützen würden“, sagt ein Abgeordneter der Volkspartei, „und erklärt, bereits bei Gianclaudio Bressa für eine Ablöse Bizzos geworben zu haben.“ Eine regelrechte Intervention beim lokalen PD-Übervater? Ein Oppositions-Vertreter meint sarkastisch: „Tommasini ist von einer Operation gekommen und hat das Skalpell mitgebracht.“
Tatsächlich ist man in der SVP nicht abgeneigt, die parteiinternen Scharmützel mitzuspielen. So scheinen sich die Sorgen, die die deutschsprachigen Abgeordneten bei Bizzos Amtsübernahme äußerten, in den letzten Monaten nur bestätigt zu haben. Neben seiner Performance im Plenum, die selbst wohlwollende Landtagskollegen als „manchmal chaotisch“ beschreiben, störte die Volkspartei sein Verhalten in Toponomastikfragen, in der Gehälterdiskussion und im Kampf um die Fraktionsmitarbeiter. Bei letzteren wollte Bizzo eine knapp fünfjährige Ausnahmeregelung für Zweisprachigkeitsnachweise durchsetzen. „Ich komme persönlich gut mit ihm aus“, sagt der Präsidiums-Kollege Helmuth Renzler, „aber da hat er mich verfluacht gemacht.“
Ähnliche Äußerungen hört man nicht nur in der SVP, auch in der deutschsprachigen Opposition hat der Landtagspräsident nicht gerade viele Freunde. Roberto Bizzo, so viel scheint klar, würde wohl niemand eine Träne nachweinen.
„Das Ganze ist ein Problem der PD“, sagt ein führendes Fraktionsmitglied der Volkspartei, „wir kommen mit Bizzo zurecht, wenn es sein muss. Wenn die Italiener die zweite Amtszeit führen, muss man halt nehmen, was man kriegt.“ Heißt übersetzt: Am Stuhl wackeln geht gemeinsam, sägen muss Tommasini aber alleine. „Die SVP würde so etwas nur dann unterstützen, wenn ein klares Signal von der PD-Führung kommt“, sagt ein Mitglied der Parteileitung.
Bleibt die Frage nach einer Alternative: Als einzige italienischsprachige Abgeordnete kämen der Grüne Riccardo Dello Sbarba, Alessandro Urzì und Elena Artioli in Frage, als zumindest „mehrheitskompatibel“ erwies sich in den vergangenen Monaten nur letztere. Laut Informationen der TAGESZEITUNG wurde Artioli bereits gefragt, ob sie nach einem eventuellen Misstrauensantrag zur Verfügung stünde – sie selbst verneint das. „Dieses Gerücht macht momentan überall die Runde“, sagt die Abgeordnete des Team Autonomie. Sie könne sich auch erklären, warum: „Dass Bizzo niemandem sympathisch ist, weiß jeder. Die Rechten sind sauer, weil er kein Deutsch versteht, die SVP ist sauer, weil er sich nicht zu benehmen weiß und im PD kämpft sowieso jeder gegen jeden.“
Zumindest aus einem Punkt könnte die Rochade Artioli-Bizzo aus Sicht der Mehrheit Sinn machen:
Beide sind bekennende Renzianer, beide beanspruchen für sich, den wahren Partito Democratico – im Fall Artiolis den „Liberal PD“ – zu vertreten. Zweifel an dem Manöver gibt es von Teilen der Volkspartei dennoch. Ein führender SVP-Vertreter argumentiert: „Bizzo nur wegen der ständigen Animositäten im PD abzusageln, würde uns Reputation und politisches Kapital kosten. Das kann nicht im Interesse der SVP sein.“ Davon abgesehen könnte eine derartige „Kamikazeaktion“ (ein Oppositionspolitiker) die ohnehin kleine Regierungskoalition gefährden.
Bleibt die Frage, wem die brodelnde Gerüchteküche am meisten nützt: Den gewählten Vertretern der Mehrheit, Landesrat Tommasini – oder gar Bizzo selbst. „Wenn er von diesen Intrigen erfährt, kann er sich darauf vorbereiten“, mutmaßt eine Abgeordnete, und: „Wer solche Pläne groß herumerzählt, macht Bizzo noch stärker als zuvor.“
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