„Ihr seid verantwortungslos“
Albrecht Plangger gilt als Mann des Volkes. Im Interview verrät er, wie er die Stimmung zur Verfassungsreform einschätzt. Er attackiert die rechte Opposition frontal. Und er erklärt, warum er nicht SVP-Chef werden will.
TAGESZEITUNG Online: Herr Plangger, Sie sind ein Politiker, der das Ohr ganz nah am Volk hat, der Stimmungen einschätzen kann. Daher an Sie die Frage: Wie hoch wird das Nein beim Referendum zur Verfassungsreform gewinnen?
Albrecht Plangger: Ich bin immer noch davon überzeugt, dass das Ja gewinnt, auch wenn es knapp werden könnte. Oder besser gesagt: Ich hoffe inständig, dass die BürgerInnen die Vorzüge der Reform erkennen, dass sie einsehen, dass es besser ist, einen Schritt nach vorne zu gehen, als stehenzubleiben. Italien muss sich von innen heraus reformieren, das Land kann sich einen Stillstand nicht leisten.
Ihre Partei tut sich verdammt schwer mit dem Verfassungsreferendum. Die SVP hat ein halbherziges Ja ausgesprochen und verzichtet auf Werbemaßnahmen. Eigentlich fällt die Mutterpartei ihren römischen Mandataren in den Rücken …
Nein, das kann man nicht sagen.
Es sieht aber so aus …
Schauen Sie: Die Verfassungsreform ist ein schwieriges Thema. Ich sitze in der Verfassungskommission, ich habe diese Reform drei Jahre lang wachsen sehen. Ich habe bereits drei Mal für diese Reform gestimmt, weil sie für Südtirol eine vermutlich einmalige Chance bietet, die wir beim Schopf packen müssen.
Welche einmalige Chance?
Wir haben noch nicht alle Kompetenzen im Stadel. Diese Reform bietet uns die Chance, Hand am Autonomiestatut anzulegen und jene Kompetenzen, die zwar unter Dach und Fach, aber noch nicht hinter dem Stadeltor sind, hereinzuholen.
Das glauben Sie allen Ernstes?
Ja. Die Kompetenzen, die wir nach der Streitbeilegungserklärung 1992 bekommen haben, wird uns niemand nehmen. Aber wenn wir diese Kompetenzen hinter das Stadeltor brächten, dann wären sie noch sicherer …
Es geht da um Kompetenzen wie die Straßen …
… die Lehrer zum Land, es geht um die Energie, die wir uns selbst ein bisserl vermasselt haben. Wir sagen seit 2001, dass wir etwas tun müssen, wir haben uns aber nicht getraut, das Autonomiestaut aufzutun, weil wir befürchteten, dass uns dann mehr genommen wird, als wir kriegen. Aber jetzt, mit dem Einvernehmen, das in der Verfassungsreform festgeschrieben ist, hätten wir die Chance, den Sack zuzumachen. Viele Menschen wissen nicht, dass die Durchführungsbestimmungen, die wir seit der Streitbelegung bekommen haben, nicht im Statut drinnen sind, die hängen also in der Luft.
Dieses Einvernehmen ist Ihnen Schutzklausel genug?
Es gibt dieses Einvernehmen, und dann, bitteschön, gibt es immer noch Österreich! Wenn wir das Statut aufmachen, dann werden wir natürlich auch versuchen hineinzuschreiben, dass das Einvernehmen dauerhaft gilt.
Und falls doch das Nein gewinnen sollte?
Wenn das Nein gewinnt, dann wäre das ein Riesenschaden für Südtirol. Denn in dem Fall würde eine neue Regierung kommen, die ihrerseits eine Verfassungsreform machen würde. Wenn es so kommen sollte, dann können wir uns warm anziehen, das sage ich Ihnen. Deshalb müssen wir kämpfen, dass dies nicht passiert.
Im Fall eines Sieges des Nein sehen Sie wirklich so dunkle Wolken aufziehen?
Ja, bei einem Sieg des Nein können wir uns die Weiterentwicklung der Autonomie auf den Hut schreiben.
Was halten Sie von der Drohkulisse: Wenn Renzi verliert, kommen zwei Unberechenbare wie Salvini und Grillo an die Macht?
Ich denke nicht, dass es so kommen würde.
Nein?
Nein, ich glaube, es käme zunächst eine Übergangsregierung. Dann gäbe es Neuwahlen. Und schließlich würden sich die Kräfte der Mitte und die Rechte zusammenraufen. Ich fürchte mich nicht vor Grillo und Salvini, aber ich fürchte mich vor der nächsten Verfassungsreform, die sicher kommen würde und mit der wir nie mehr das kriegen würden, was wir jetzt bekommen.
Wie erklären Sie sich den Umstand, dass die gesamte Opposition in Südtirol für ein Nein zur Verfassungsreform wirbt. Kommen die nicht mit, was in Rom läuft?
Mit Ausnahme der Grünen, die autonomiefreundlich sind, sagen alle anderen Parteien: Die Autonomie sei nix wert, wir wollen etwas anderes! Wir von der SVP arbeiten seit jeher auf der Autonomie-Schiene, wir sagen: Je besser die Autonomie, desto leichter tun wir uns.
Das ist schon klar …
Lassen Sie mich bitte noch sagen: Wir verdanken unseren Wohlstand der Autonomie. Vor der Autonomie waren wir die Ärmsten, jetzt sind wir fast die Reichsten. Also wird die Autonomie schon richtig gewesen sein. Man soll nicht immer alles schlecht machen.
Man hat irgendwie den Eindruck, dass es bei diesem Referendum in Südtirol zu einer ähnlichen Eigendynamik kommt wie bei der Flughafen-Volksabstimmung. Beim Flughafen-Referendum wollten die Menschen „denen da oben“ eins auswischen, beim Verfassungsreferendum geht es vielen Südtirolern um ein Nein gegen Italien …
Ja, den rechten Oppositionsparteien im Landtag geht es weniger um die Reform, als vielmehr darum, Nein zu Italien zu sagen. In Wirklichkeit aber sagen Sie mit einem Nein nicht Nein zu Italien, sondern Nein zur Weiterentwicklung der Autonomie. Diese Parteien halsen sich mit ihrer Haltung eine große Verantwortung auf …
… Knoll, Leitner, Peterlini & Co. machen einen Fehler?
Ja, sie begehen einen Riesenfehler, für den sie irgendwann werden geradestehen müssen. Ein Verhandlungsergebnis ist nie optimal, aber es war der bestmögliche Kompromiss.
Verstehen wir Sie richtig: Jene, die für das Nein werben, sind verantwortungslos?
Ja, das sage ich! Zwar hat nicht jeder den gleichen Wissensstand. Diese Herren, die Sie vorhin genannt haben, waren alle nicht dabei, als die Reform gemacht wurde. Ich habe die Reform drei Jahre lang begleitet, sie wachsen sehen. Und ich sage jedem Bürger, der mir glaubt: Ich stimme mit Ja, weil es eine Chance ist, die wir uns nicht entgehen lassen dürfen. Mit dieser Verfassungsreform können wir leben, mit der nächsten, die kommen wird, kaum.
Herr Plangger, es gibt in Ihrer Partei viele, die meinen, Sie wären der bessere Obmann als Philipp Achammer. Könnten Sie sich vorstellen, die Partei zu führen?
(lacht) Ich derführe jetzt schon die Vinschger net gscheid, geschweige denn etwas Größeres. Ich bin mit meinen 42 Ortsgruppen bis über drei Ohren ausgelastet.
Interview: Artur Oberhofer
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