Fluch oder Segen?
Ist ein Michelin-Stern ein Fluch oder ein Segen? Jörg Trafoier über den Sterne-Druck, den Wert dieser Auszeichnung und darüber, warum man in der Sterne-Gastronomie nicht das große Geld verdient.
Tageszeitung: Herr Trafoier, was bedeutet ein Michelin-Stern für einen Koch oder ein Restaurant?
Jörg Trafoier (Restaurant Kuppelrain): Ein Michelin-Stern ist für ein Restaurant eine wirklich große Hilfe und Bereicherung, weil man jährlich neue internationale Gäste gewinnt. Natürlich ist es auch eine große Ehre, wenn man mit einem Stern ausgezeichnet wird.
Sie haben den Michelin-Stern jetzt 16 Jahre lang gehalten. Ist dies auch mit einem bestimmten Druck verbunden?
Nein, das finde ich nicht. Wenn man sich selbst den Anspruch setzt, mit einheimischen Produkten für den Gast gute Gerichte herzustellen, ist dies kein Druck. Drei Tage bevor die Sterne vergeben werden, bin ich meistens aber trotz allem ein bisschen nervös, das restliche Jahr denke ich aber nicht an diese Stern-Vergabe.
18 Restaurants in Südtirol wurden mit Sternen ausgezeichnet. Ist ein Stern heute weniger wert als früher?
Als wir zum ersten Mal einen Michelin-Stern bekommen haben, gab es in ganz Südtirol nur sechs Sternelokale und daher hatte diese Auszeichnung damals sicher mehr Gewicht. Nach diesem Sterne-Regen und den vielen Auszeichnungen wird nur noch wenig über die einzelnen ausgezeichneten Restaurants berichtet.
Also teilen Sie die Aussagen von Roland Trettl, der gemeint hat, dass ein Stern nichts mehr wert ist, wenn es zu viele davon gibt?
Genau darauf wollte ich hinaus. Es ist in Südtirol als Sternerestaurant nicht mehr möglich nur von einheimischen Gästen zu leben. Wenn es sich ein Gast zwei Mal pro Jahr leisten möchte, ein Sternelokal zu besuchen, dann braucht er mehrere Jahre um einmal in jedem Restaurant gewesen zu sein. Wenn wir nicht das Glück hätten, einen internationalen Gast bedienen zu dürfen, wäre die Situation problematisch. Also gibt es zu viele Sterne-Restaurants in Südtirol?
Zu viele gibt es nicht. Im Gegenteil: Wenn es schon so viele Auszeichnungen wie jetzt gibt, bin ich der Meinung, dass es auch noch den ein oder anderen Betrieb geben würde, der sich diese Auszeichnung verdienen würde. In Südtirol arbeiten wir in der Gastronomie auf einem wirklich hohen Niveau. Ein Problem, das ich bei der Vergabe der Michelin-Sterne allerdings sehe, ist dass immer mehr Sterne an Hotels vergeben werden, also an Gourmetrestaurants in Hotels. Für uns Restaurateure, die nur vom Lokal leben, könnte diese Entwicklung problematisch werden, weil Gäste ihr Hotel nicht mehr verlassen müssen, um ein Sternelokal zu besuchen.
Was viele Leute jedoch nicht wissen ist, dass man mit einem Sterne-Restaurant keinen großen Gewinn macht. Viele Köche bieten daher auch Kochkurse oder Catering an. Wie sieht die Situation wirklich aus?
In der Sterneküche hat man nie das große Geld verdient. Die meisten 2- oder 3-Sterne-Restaurants in anderen Ländern werden gesponsert.
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