Was bleibt
Es gibt Tage, da wünsche ich mir einen übervollen Kinosaal ganz besonders. Als Eva Mattes „Deutschland, bleiche Mutter“ in Bozen vorstellte, war so ein Tag.
von Renate Mumelter
Im Kino läuft nur am Mittwoch Laugthons „The Night of the Hunter“, länger ist „Willkommen bei den Hartmanns“, der Flüchtlingsfilm der Verhoevens zu sehen. Sohn Simon führte Regie, Mutter Senta Berger spielt eine der Hauptrollen, Vater Michael hat mitproduziert. Die viel gelobte Komödie erzählt davon, wie sich eine begüterte Münchner Familie einen Flüchtling holt, ihn menschlich behandelt und sich vom unguten Umfeld nicht aus der Fassung bringen lässt. Eine politisch korrekte Komödie fürs breite Publikum mit gelungenen Pointen, Happy-End und etlichen Rosamunde-Pichler-Effekten.
So weit so gut. Hier geht es heute aber um „Deutschland, bleiche Mutter“ einen Film aus dem Jahr 1980, der auch mit Flucht zu tun hat. Die damals 24jährige Hauptdarstellerin Eva Mattes begleitete das Meisterwerk von Helma Sanders-Brahms am Dienstag in den Filmclub. Wer nicht dabei war, hat etwas versäumt, und das nicht nur, weil Mattes von den Dreharbeiten im Literarischen Colloquium in Berlin erzählte, die Arbeitsweise der Regisseurin schilderte und darüber berichtete, wie es ihr selbst dabei erging, sondern auch, weil dieser Film Jahrzehnte später noch wirkt. Er ist nicht nur gut inszeniert und ausgezeichnet gespielt sondern auch hochaktuell. Sanders-Brahms erzählt von einem jungen Paar im Berlin der Hitlerzeit. Der Mann muss in den Krieg, die Frau bleibt mit der Tochter in der Stadt, später muss sie fliehen. Alle hoffen auf ein Ende des Grauens. Aber das Grauen hört auch im Frieden nicht auf. Zu tief sind die Wunden, die bleiben.
In Deutschland kam der Film 1980 nicht besonders gut an. Im Ausland hingegen schon. Zwischendurch zeigt „Deutschland, bleiche Mutter“ Archivaufnahmen. In einem Ausschnitt ist ein Bub zu sehen, der zwischen Trümmern nach seinen Eltern sucht. Seit Wochen schon.
Deutschland, bleiche Mutter (D 1980), 123 Minuten, Regie Helma Sanders-Brahms. Mit: Eva Mattes, Ernst Jacobi, Kamera. Jürgen Jürges. Nur auf DVD.
Was es sonst noch gibt: „Willkommen bei den Hartmanns“ von Simon Verhoeven, „Fai bei Sogni“ von Marco Bellocchio, „The Night of the Hunter“ (nur MI), Rimusicazioni Filmfestival (SA) Abschlussabend Videodrome Roenstraße
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