Junge Diabetiker
Vielen Diabetikern ist nicht bewusst, von der Krankheit betroffen zu sein. Vor allem bei Kindern werden Symptome von den Eltern oft nicht wahrgenommen – was zu lebensgefährlichen Situationen führen kann.
TAGESZEITUNG Online: Frau Reinstadler, in Deutschland ist Diabetes Typ 1 die häufigste chronische Stoffwechselerkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Treffen diese Zahlen auch auf Südtirol zu?
Petra Reinstadler: Diese Aussage trifft nicht nur auf Deutschland und Südtirol zu sondern gilt weltweit.
Jährlich steigt die Zahl der Neuerkrankungen an. Warum bekommen Kinder Diabetes?
Der Diabetes Typ 1 ist eine multifaktorielle Erkrankung. Das heißt, dass man einerseits eine genetische Veranlagung braucht um an Diabetes erkranken zu können, aber es spielen auch externe Faktoren, die wir noch nicht genau zu bestimmen wissen, eine große Rolle. Es stimmt, dass die Erkrankung weltweit zunimmt und dass man vor allem bei Kindern unter 5 Jahren eine starke Zunahme sieht. Wenn man alle Diabetesarten zusammenzählt, sind derzeit weltweit rund 387 Millionen Menschen betroffen. Die Ursachen der Krankheit kennt man leider noch nicht genau.
Welche Rolle spielt Ernährung?
Die Erkrankungen am Diabetes Typ 1 erfolgen unabhängig von der Ernährung. Kinder erkranken an dieser Form nicht, weil sie sich falsch ernähren oder zu wenig bewegen. In diesem Fall sprechen wir vom Diabetes Typ 2. Diese Form entsteht, wenn sich Patienten von zu viel Süßem ernähren oder wenig Sport betreiben. Diese Personen verfügen noch über genügend Insulin im eigenen Körper, aber dieses wirkt in den Endzellen nicht. Der Typ 1 Diabetes ist von einem absoluten Insulinmangel gekennzeichnet – völlig unabhängig von der Ernährung (siehe Kasten).
Kinder erkranken meist am Typ 1 Diabetes, gibt es aber auch Fälle von Kindern, die am Typ 2 erkrankt sind?
Mittlerweile findet man den Altersdiabetes (Typ 2) auch bereits bei übergewichtigen Jugendlichen. In Südtirol sieht man diese Erkrankungsform aber noch eher selten. In Amerika hingegen kommt der Typ 2 häufiger vor.
Fettleibigkeit begünstigt Diabetes…
Ich zeige in meinen Vorträgen häufig zwei Bilder: Der Typ 1 Diabetiker ist meist schlank, ernährt sich gesund und treibt Sport. Der Typ 2 Diabetiker ist hingegen jener Erkrankte, der an Übergewicht leidet und sich falsch ernährt.
Dürfen Kinder trotz Diabetes Typ 1 Süßes essen?
Die erkrankten Kinder sollten auf eine gesunde Ernährung achten – wie auch andere Kinder. Sie müssen keine spezielle Diät machen und dürfen auch Süßes essen. Es gibt keine Einschränkungen beim Essen.
Wird die Form Diabetes 1 bei Kindern eigentlich relativ rasch erkannt?
Leider nicht. Die Diagnose wird noch sehr oft zu spät gestellt, weil man Diabetes nur mit dem Erwachsenenalter verbindet. Sehr viele Erwachsene wissen aber nicht, dass Diabetes auch im Kindesalter auftreten kann. Bei Kleinkindern ist die Diagnose noch schwieriger, weil sich die Kinder oft nicht ausdrücken können.
Welche Symptome deuten auf eine Erkrankung hin?
Es gibt klassische Symptome, auf die man achten sollte: Die Kinder müssen häufig auf Toilette. Wenn der Zucker im Blut einen Wert von 180 überschreitet, wird dieser Zucker über den Urin ausgeschüttet. Damit scheiden die Kinder auch viel Flüssigkeit aus und müssen wiederum viel trinken und haben ständig Durst. Wenn man diesen Zustand nicht erkennt, kann es zur lebensgefährlichen Ketoazidose kommen.
Das heißt?
Da bei Insulinmangel der Blutzucker nicht als Energielieferant zu den Zellen kommen kann, nehmen diese die Fettreserven her, dabei entsteht Azeton (daher der Name Ketoazidose). Die Symptome sind Müdigkeit, Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, tiefe Atmung (Kussmaul) und Schläfrigkeit bis hin zu Koma– diese Situation ist lebensgefährlich, wenn sie nicht erkannt wird. Leider kommen immer noch rund 30 Prozent der Patienten erst mit einer Ketoazidose bei Erstdiagnose zu uns.
Kann die Diabetes Typ 1 auswachsen?
Nein, man bleibt lebenslang Diabetiker.
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