„Hohes Risiko“
Der Meraner Streetworker Salvatore Cosentino über seine Arbeit mit rechtsextremen Jugendlichen, die Gefahr einer neuen aktiven Szene – und Nazi-Shops im deutschen Ausland.
TAGESZEITUNG: Herr Cosentino, gibt es im Burggrafenamt eine neue rechtsextreme Szene?
Salvatore Cosentino: Es gibt eine kleine Gruppe von Jugendlichen, die uns seit rund eineinhalb Jahren bekannt ist, damals sind wir mit ihr in Kontakt getreten. Diese Leute waren sehr jung, als ich sie kennengelernt habe – ein paar von ihnen sind noch immer dabei. Von einer Szene würde ich aber nicht sprechen, eher von einer gewissen „Atmosfera“, gegen die wir wenig ausrichten können. Hier bräuchte es mehr soziokulturelle Arbeit.
Wie groß ist die Gefahr, dass sich südtirolweit eine gefährliche Szene bilden könnte?
Ich würde sagen, das Risiko ist in den letzten Jahren immer gleich hoch geblieben. Die meisten dieser Personen finden in kleineren Gruppierungen zusammen und werden von den Behörden überwacht.
Das Internet hat den Kontakt zwischen rechtsextremen Gruppen vereinfacht. Ein Phänomen, das sich auch auf Südtirol auswirkt?
Die Möglichkeit für mehr Kontakt ist sicher gegeben – die Szene in Nord- und Ostdeutschland ist effektiv stärker geworden. Das sieht man auch an diesen Online-Shops, die es seit einer Weile gibt, auch Südtiroler kaufen dort ein.
Wie treten Sie als Streetworker an diese Jugendlichen heran?
Wir behandeln sie gleich wie alle anderen jungen Menschen, mit denen wir zu tun haben. Wir versuchen, sie außerhalb ihrer Gruppe als Einzelpersonen zu kontaktieren – erst so schafft man es, die Welt eines Menschen zu durchschauen. In der Gruppe fehlt die persönliche Beziehung und die privaten Probleme, die diese Personen haben, sind nicht so leicht sichtbar. Meistens stellen wir dann fest: Lösen wir diese Schwierigkeiten, wird auch der Extremismus abgeschwächt. Die Ideologie ist nie so stark wie das Problem.
Welche Rolle spielen Dorfvereine als Korrektiv?
Die meisten Vereine haben einen guten Einfluss auf Jugendliche, Extreme entstehen immer durch Marginalisation. Aber in jedem Dorf gibt es auch „Borderliner“, die sich außerhalb dieser Korrektive bewegen. Derzeit sind diese Leute zwar rechtsextrem orientiert, haben ihre Zeichen und zeigen sie auch – viel mehr aber nicht. Strukturierte Gewalttaten, wie wir sie vor zehn Jahren sahen, gibt es derzeit nicht. Die Situation kann sich aber von heute auf morgen ändern.
Interview: Anton Rainer
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