Getreideanbau in Südtirol
Bei einer Fachtagung des Versuchszentrums Laimburg haben sich über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer über Getreideanbau und Genbanktätigkeit informiert.
Das Land- und Forstwirtschaftliche Versuchszentrum Laimburg hat anlässlich der Salerner Getreidetage in Zusammenarbeit mit der Fachschule für Land- und Hauswirtschaft Salern und dem Amt der Tiroler Landesregierung diese Fachtagung zum Thema Getreideanbau im Alpenraum organisiert. Sie bildete den Auftakt zu den Salerner Getreidetagen in dieser Woche an der Fachschule für Land- und Hauswirtschaft Salern.
Fünf Experten aus Südtirol und Österreich referierten über verschiedene Aspekte rund um den Getreideanbau in den Alpen:
Dabei wurde einerseits ein umfassender Überblick über die Getreideversuche und Genbankaktivitäten dies- und jenseits des Brenners gegeben.
Zudem ging es um Trends in der Getreidebranche und um Produktentwicklung im Getreidesektor, insbesondere unter dem Stichwort Regionalität.
„Die Fachtagung ist durch den starken Verbund zwischen den Partnern zustande gekommen“, betonte dabei Juliane Gasser Pellegrini, Direktorin der Fachschule für Land- und Hauswirtschaft Salern: „Wenn Schule, Weiterbildung und Versuch Hand in Hand gehen, können wir gemeinsam mit den Bauern Alternativen entwickeln. Dies ist besonders wichtig in Südtirol, wo viele landwirtschaftliche Betriebe auf einen Neben- oder Zuverdienst angewiesen sind.“
Am Versuchszentrum Laimburg begann der Aufbau einer eigenen Sammlung von Landsorten im Jahr 1993. Manuel Pramsohler, am Versuchszentrum zuständig für den Sachbereich Ackerbau, berichtete über die Genbanktätigkeit bei Getreide in Südtirol. Bis heute konnten 504 Einträge (Sorten und Linien) von 203 Herkunftshöfen zusammengetragen werden. Zu jeder Sorte stehen Passportdaten und Fotos, eine Dokumentation der traditionellen Nutzungsform sowie Interviews mit den Besitzern der Sorte zur Verfügung.
Im Bereich Getreide sind in der Genbank des Versuchszentrums Laimburg 147 Sorten aus Südtirol und Nordtirol gesichert, wobei das Saatgut fachgerecht an zwei Standorten (Laimburg und Innsbruck) aufbewahrt wird. Im Bereich Genbank führt das Versuchszentrum Laimburg verschiedene Tätigkeiten aus:
Dazu gehört die Aufbewahrung und Erhaltung von Sorten durch die regelmäßige Überprüfung der Keimfähigkeit und – falls notwendig – die Saatgutvermehrung. Darüber hinaus werden zahlreiche Projekte zur Charakterisierung des gesammelten Sortiments durchgeführt:
Im Projekt CereAlp beispielsweise überprüften die Experten die Anbaueigenschaften von Roggen- und Dinkel-Landsorten und schufen damit die Grundlagen für eine erneute praktische Nutzung der Brotgetreide-Landsorten in der Alpenregion. Das Projekt wurde vom Interreg-IV-Programm Italien – Österreich finanziert (2013–2015) und in Kooperation mit dem Bereich „Landwirtschaftliches Versuchswesen“ des Amts der Tiroler Landesregierung Innsbruck durchgeführt.
Ergebnis des Projekts ist ein Landsortenkatalog, in dem die Profile von 59 Winterroggen- und zehn Dinkel-Landsorten aus Südtirol und Nordtirol zusammengetragen sind.
Ein Beschlussantrag der Landtagsabgeordneten Maria Hochgruber Kuenzer sieht vor, dass Landsorten verstärkt für den Anbau eingesetzt werden sollen und beauftragt das Versuchszentrum Laimburg damit, die Nutzung von Landsorten zu unterstützen, die Forschung in diesem Bereich weiter zu vertiefen und mit dem damit erworbenen Fachwissen interessierte landwirtschaftliche Betriebe in Anbau und Verwendung von Landsorten zu begleiten.
Landtagsabgeordnete Hochgruber Kuenzer, die stellvertretend für Landesrat Arnold Schuler ihre Grußworte an die Tagungsteilnehmer richtete, erklärte, dass weltweit zehn Saatgutkonzerne das Saatgut in der Hand haben und europaweit 80 Prozent der Lebensmittel von nur fünf Konzernen verteilt werden.
Dazu brauche es einen Gegenpol, wie etwa diese Fachtagung. Kuenzer forderte dazu auf, zusammenzuarbeiten, gemeinsam alle zur Verfügung stehenden Ressourcen einzusetzen, um altes Wissen über die Landsorten wieder zu aktivieren und damit einen Mehrwert für Konsumenten und Landwirte zu schaffen.
Der Anbau von Getreide stellt im Alpenraum eine Herausforderung dar. Waltraud Hein von der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft Raumberg-Gumpenstein erläuterte in ihrem Vortrag die Voraussetzungen für den Anbau von Getreide im Berggebiet und ging dabei auf die Ansprüche von Wintergetreide und Sommergetreide ein.
Risiken für den Anbau von Wintergetreide liegen in der Auswinterung, also Schäden, die durch Kälte, Fäulnis, Luft- oder Wassermangel während der Winterzeit entstehen können, während im Vergleich dazu bei Sommergetreide mit einem verminderten Ertragspotential zu rechnen ist. Das Wetter während der Erntephase hat einen großen Einfluss auf die Getreidequalität. Bei Flächen in der Nähe von Wäldern besteht zudem die Gefahr von Wildverbiss.
Im österreichischen Bundesland wurde schon sehr früh mit der Sammlung von Landsorten begonnen. Christian Partl, der im Amt der Tiroler Landesregierung in Innsbruck den Fachbereich Landwirtschaftliches Versuchswesen, Boden- und Pflanzenschutz leitet, berichtete über die Genbanktätigkeit im Hinblick auf Getreide in Nordtirol. Die Anfänge der Genbank des Landes Tirol gehen auf Sammlungen zurück, die Professor Erwin Mayr 1922/23 zuerst in Salzburg und ab 1930 in Tirol zusammengetragen hat.
Heute enthält die Genbank über 1000 Landsorten bzw. Herkünfte von 35 verschiedenen Kulturpflanzen. Genbanken werden angelegt, um genetisches Material alter Sorten zu sichern, Landsorten und deren Eigenschaften zu beschreiben und damit die genetische Vielfalt und spezielle Eigenschaften alter Sorten zu erhalten. Darüber hinaus liefern sie Zusatzinformationen über Verwendung, Kulturführung und Kulturgeschichte der Landsorten. „Landsorten haben eine viel weitere genetische Streuung als moderne Sorten; Genbanken leisten damit einen wichtigen Beitrag für die Erhaltung der Variabilität und Biodiversität“, erklärte Partl.
Doris Troger, die bei der IDM Südtirol Lebensmittelunternehmen bei der Produktentwicklung betreut, referierte über Trends im Lebensmittelbereich und erläuterte einige für die Getreidebranche wichtige Phänomene: So erleben Urgetreide wie Einkorn, Emmer oder die nicht zur Getreidefamilie zählende Quinoa zurzeit einen Aufschwung. Dem Marktforschungsinstitut Innova Market Insight zufolge hat sich zwischen 2014 und 2015 die Verwendung von Urgetreide bei Produkteinführungen global um 33 Prozent gesteigert. Am häufigsten Verwendung findet dabei Quinoa, aber auch Chiasamen verzeichnen ein besonders starkes Wachstum von 85 Prozent. Ein weiterer Trend liegt für Troger in der Regionalität. Diesbezüglich sei in Südtirol schon viel geleistet worden:
Mit dem vom Europäischen Sozialfonds geförderten Projekt Regiokorn (2011–2013) haben TIS innovation park (jetzt Teil von IDM), Versuchszentrum Laimburg und Südtiroler Bauernbund dazu beigetragen, den regionalen Getreideanbau wiederzubeleben und eine regionale Wertschöpfungskette zu etablieren:
Die von 55 Landwirten auf 82 Hektar Fläche angebauten 300 Tonnen Roggen und Dinkel wurden von einer heimischen Mühle gemahlen und von 45 Südtiroler Bäckern zu regionalen Brotspezialitäten weiterverarbeitet. Man müsse nicht jeden Megatrend mitmachen, unterstrich Troger, sollte diese Trends aber im Auge behalten und sich durchaus von ihnen inspirieren lassen. Wichtig sei, sich selbst treu und authentisch zu bleiben, denn nur dann werde das Produkt auch vom Konsumenten angenommen.
Lohnt sich Regionalität? Warum sollen Kunden tiefer in die Tasche greifen, um ein regionales Produkt zu erhalten? Sind regionalen Backwaren besser? Diesen Fragen ging Benjamin Profanter von der Natur-Backstube Profanter in Brixen nach. Profanter zufolge funktioniert das Konzept „Regionalität“ nur, wenn ein zusätzlicher Mehrwert geschaffen werde.
Eine Umstellung der Bäcker auf regionales Getreide – wobei die daraus hergestellten Backwaren zu einem teureren Preis verkauft werden – allein funktioniere nicht. Regionalität sei für den Kunden kein primäres Kaufsargument; für den Kunden zähle vielmehr, ob das Produkt wohlschmeckend und wohltuend ist.
Die Vermarktung regionaler Produkte könne nur erfolgreich sein, wenn Betriebe einen zusätzlichen Mehrwert schaffen, indem sie etwa sensible Esser (Personen, die sich vegan, vegetarisch, laktose- oder glutenfrei ernähren wollen, ohne dass medizinische Gründe dafür vorliegen) oder nachhaltige Esser ansprechen.
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