„Das habe ich nicht verdient“
Der TAGESZEITUNG liegt ein neues Dossier zum Fall der angeblich geschlagenen Schiedsrichterin vor. Warum nur der Spieler mit der Nummer 15 als „Täter“ in Frage kommen kann. Und: Die Version der Schiedsrichterin.
von Artur Oberhofer
Marco Giaquinta kämpft gegen die Tränen: „So etwas habe ich nicht verdient.“
Der Präsident des Meraner Fußballclubs Olimpia arbeitet sieben Stunden am Tag für seinen Verein. Unentgeltlich. Er macht den Präsidenten. Er trainiert zwei Mannschaften. Und er erledigt die Bürokratie.
Und jetzt muss sich Marco Giaquinta von einem Sportrichter vorhalten lassen, er habe im Fall der tätlich angegriffenen Schiedsrichterin total versagt.
Mehr noch: Er, der Präsident, sei dafür verantwortlich, wenn nun zwei minderjährige Fußballer geschädigt worden seien, einer, weil er für drei Jahre gesperrt wurde, der andere, weil er (angeblich) zu Unrecht beschuldigt wurde.
Eine Rückblende:
Die TAGESZEITUNG hat Anfang Oktober über den Aufsehen erregenden Fall der jungen Schiedsrichterin berichtet, die am 28. September dieses Jahres nach dem A-Jugend-Match zwischen Salurn und Olimpia Meran von einem Spieler tätlich angegriffen worden war.
Die junge Schiedsrichterin konnte – weil der Schlag von hinten ausgeführt wurde – nicht erkennen, wer ihr den Faustschlag verpasst hat.
Als sie sich umdrehte, standen zwei Spieler von Olimpia Meran hinter ihr: der Spieler mit der Rückennummer 2 und der Spieler mit der 15.
Für das Sportgericht war klar: Einer der beiden Spieler muss der Übeltäter sein.
Da keiner der beiden Spieler die Verantwortung für das Geschehene übernahm, bestrafte der Sportrichter den Kapitän von Olimpia Meran. Dieser wurde für drei Jahre, bis 6. Oktober 2019 gesperrt.
Am 19. Oktober, nach Abschluss der vereinsinternen „Ermittlungen“, teilte der Präsident von Olimpia Meran dem Sportgericht mit, dass nur der Spieler mit der Nummer 15 als Täter in Frage komme. Allerdings: Als der Spieler im Beisein seiner Eltern vom Sportrichter befragt wurde, bestritt er vehement, die Schiedsrichterin tätlich angegriffen zu haben.
Der Sportrichter glaubte dem jungen Olimpia-Spieler – und reichte die heiße Kartoffel an die Verbandsanwaltschaft („Procura Federale“) in Rom weiter. Diese, so der Sportrichter in seiner Verfügung, solle die Rolle des Präsidenten von Olimpia Meran, beleuchten.
Marco Giaquinta empfindet diesen Schritt des Sportrichters als Demütigung.
Und in der Tat: Die Sportgerichtsbarkeit ist vermutlich dabei, einen großen Fehler zu begehen.
Der TAGESZEITUNG liegt nämlich ein Dossier vor, aus dem hervorgeht, dass der Präsident von Olimpia Meran nicht nur alles Menschenmögliche getan hat, um den Krimi zu klären. Aufgrund der neuen Erkenntnisse wird auch verständlich, warum die Vereinsverantwortlichen den Spieler mit der Nummer 15 als Täter genannt haben. Und: So wie es scheint, hat es keinen Faustschlag gegeben, sondern „nur“ einen Schubser.
Die Fakten:
Die „Ermittlungen“ der Vereinsverantwortlichen von Olimpia Meran zu dem Vorfall in Salurn liefen mit Verspätung an, da Vereinspräsident Macro Giaquinta zwei Tage später in den bereits gebuchten Griechenland-Urlaub fliegt – und die beiden Jugendtrainer nicht ermitteln dürfen. Der Grund: Der Trainer ist selbst Polizist, der Co-Trainer ist Carabiniere.
Als Marco Giaquinta nach zwei Wochen von seinem Urlaub zurückkehrte (der Präsident: „Ich bin mit Bauchweh losgefahren, aber da dies mein einziger Urlaub war, konnte ich nicht in Meran bleiben“), befragt eer alle Spieler. Ergebnislos. Es gab zu dem Zeitpunkt nur ein Indiz: Ein Spieler hatte dem Co-Trainer wenige Tage nach dem Vorfall in Salurn eine SMS geschickt. Der Inhalt: Er entschuldigte sich für die „cazzata“, die er gemacht habe. Bei dem Spieler, der diese SMS abgeschickt hat, handelte es sich um den Spieler mit der Nummer 15.
In der Folge suchten der Vereinspräsident und der Trainer von Olimpia Meran die junge Schiedsrichterin auf, um sich bei ihr offiziell zu entschuldigen.
Die Schiedsrichterin machte gegenüber Marco Giaquinta und dem Trainer von Olimpia Meran eine wichtige Aussage: Sie sagte, für den tätlichen Übergriff komme nur der Spieler mit der Rückennummer 15 in Frage, da der Spieler mit der Nummer 2 sich vor ihr befunden habe. Mehr noch: Sie habe diesen Spieler, weil er ein Foul simulierte, in die Kabine geschickt.
Die SMS und die Aussage der Schiedsrichterin ergaben für die Verantwortlichen von Olimpia Meran ein schlüssiges Szenenbild. Für Marco Giaquinta war „zu 99,9 Prozent“ klar, dass nur der Spieler mit der Nummer 15 als Täter in Frage kommen könne.
Daher habe man die Sportgerichtsbarkeit informiert, so der Präsident.
Der Spieler mit der Nummer 15 hat sich nach dem Vorfall beim Verein nicht mehr blicken lassen. Dass er kein Geständnis ablegt, ist auch nachvollziehbar, denn der Junge riskierte eine dreijährige Sperre.
Indes gibt es Indizien, die darauf hindeuten, dass die Schiedsrichterin nicht mit einem Faustschlag attackiert, sondern geschubst worden ist. Zumindest sagen dies jetzt Spieler der Mannschaft von Salurn aus. Dies würde auch erklären, warum die Schiedsrichterin in ihren Bericht angegeben hat, sie sei „einen Meter nach vorne geworfen“ worden. Dies deutet auf einen Rempler und einen Schubser hin.
Ein Schubser wäre zwar immer noch eine Tätlichkeit, aber nicht so schlimm wie ein Faustschlag. Im Falle eines Schubsers könnte der Übeltäter mit einer Sperre von sechs Monaten davonkommen.
Olimpia-Präsident Marco Giaquinta will nun dafür kämpfen, dass lange Sperren für Jugendspieler abgeschafft werden. „Es wäre gescheiter, die Übeltäter mit sozialer Arbeit zu bestrafen“, so Giaquinta.
Er denkt beispielsweise daran, einen Spieler, der einen Schiri tätlich angreift, zu zwingen, einen Schiedsrichterkurs zu belegen und in der Folge selbst einige Partien zu pfeifen. Minderjährige dürften nicht wie erwachsene Spieler behandelt werden, so der Olimpia-Präsident.
Und noch eine Frage steht im Raum: War es klug, eine 16-jährige Schiedsrichterin für ein Spiel in der schwierigsten Jugendliga zu designieren.
„Mit 15, 16 sind die Burschen im schwierigsten Alter“, gibt auch Olimpia-Präsident Marco Giaquinta zu bedenken.
Überdies besuche die Schiedsrichterin dieselbe Schule wie die meisten Spieler.
LESEN SIE IN DER PRINT-AUSGABE:
- Alles über die Sensibilisierungskampagne von Olimpia Meran
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