Der einsame Wolf
Das Protokoll einer Wahnsinnstat: Wie Christian Kleon die Augenblicke schildert, als er die Kettensäge an Andreas Placks Bein angesetzt hat.
von Lisi Lang
Es entsteht das Bild eines Zerrissenen:
Auf der Grundlage von mehreren psychiatrischen Gutachten dokumentiert TAGESZEITUNG-Chefredakteur Artur Oberhofer in seinem neuen Buch aus der Reihe „Die großen Kriminalfälle in Südtirol – Band VII“ die herzzerreißende Kindheitsgeschichte von Christian Kleon.
Zuerst tragen seine leiblichen Eltern einen zermürbenden Krieg um das Sorgerecht aus. Der Bub wird hin- und hergerissen. Ist stets zwischen Hammer und Amboss.
Und wo immer er hinkommt, erfährt er Ablehnung und Grobheit statt Wärme und Fürsorge.
Als er beim leiblichen Vater wohnt, verprügelt und demütigt ihn die Stiefmutter. Als er zu seiner Mama zurückkehrt, erlebt er den Stiefvater als störrischen und trinkenden Tyrannen. Christian Kleon reagiert mit Rückzug, entwickelt ein ängstlich-vermeidendes (Schutz-)Verhalten – und hat extreme Lernschwierigkeiten in der Schule. Und wird irgendwann zum einsamen Wolf.
In seinem Buch erzählt Artur Oberhofer, wie Andreas Plack bei Christian Kleon den Widerstand gebrochen und ihn zum Mörder gemacht hat.
Der Autor konnte außerdem die Protokolle der Gespräche einsehen, die Christian Kleon mit den gerichtspsychiatrischen Gutachtern geführt hat.
In diesen Gesprächen schildert Christian Kleon unter anderem, wie er am Abend des 27. November 2001 die Kettensäge an Andreas Placks Bein angesetzt hat.
Sein Cousin habe in der Obstwiese in Marling rücklings am Boden gelegen, erzählt Christian Kleon. Um alles nach einem Überfall aussehen zu lassen, habe sich Andreas Plack mit einem Messer zuerst ein paar kleinere Schnittwunden im Gesicht zugefügt. Dann hätte er, Kleon, ihm mit der Axt auf den Hinterkopf schlagen sollen. „Der Andreas wollte das, aber ich habe nur ganz leicht geschlagen“, so Kleon.
Frage: Wann genau haben Sie mit Plack die Details des Plans besprochen?
Antwort: Bis zu jenem Abend wusste ich nur, dass ich ihm das Bein abschneiden musste. Erst in der Obstwiese wurde er konkreter und sagte, ich müsse ihm das Bein oberhalb des Knies abschneiden.
Frage: Hat Andreas Plack gestanden, als Sie mit der Operation begannen?
Antwort: Nein, er lag in der Obstwiese am Boden und hatte das Bein ausgestreckt.
Frage: Sie hatten die Nylonsäcke übergezogen?
Antwort: Ja.
Frage: Und dann?
Antwort: Ich wollte weglaufen, aber er hatte sich bereits die Schnittwunden im Gesicht zugefügt. Deswegen bin ich geblieben und habe die Kettensäge angemacht.
Frage: Und dann haben Sie sich mit der Kettensäge genähert?
Antwort: Ja, er sagte, dass ich das tun solle. Ich wusste ja nicht, wie ich das machen sollte. Ich habe die Kettensäge nahe ans Bein hingeführt und habe nur ein bisschen geschnitten. Ich wollte das Weiße Kreuz verständigen, aber er sagte, dass ich das nicht tun solle. Er sagte, ich solle sofort verschwinden. Er schrie mir auch einige Schimpfwörter nach und stand auf.
Frage: Plack wollte sich das Bein mit einem Gürtel abbinden?
Antwort: Ja, das hatte er versprochen.
Frage: Was ist dann passiert?
Antwort: Ich weiß es nicht mehr genau, ich kann mich nur erinnern, dass er herumhüpfte, ich weiß dann nicht, wie weit er gekommen ist.
Frage: Haben Sie nach der Tat nochmals versucht, Andreas anzurufen?
Antwort: Ich hatte ihn vorher schon gefragt, wie ich denn erfahren würde, wie es ihm geht. Andreas hat gesagt: „Das wirst du im Radio hören oder in den Zeitungen lesen.“
DAS BUCH
In Band VII aus der Reihe „Die großen Kriminalfälle“ dokumentiert TAGESZEITUNG-Chefredakteur Artur Oberhofer neben dem Kettensäge-Mord noch einen zweiten spektakulären Mordfall:
Es geht dabei um den Mord an der 68-jährigen Bäuerin Maria Weissteiner im November 1988 in Tulfer in der Gemeinde Pfitsch.
Dieser Kriminalfall ist noch ungeklärt.
Der Buch – fast 500 Seiten stark – ist vor wenigen Tagen erschienen.
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