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Das große Misstrauen

Gericht BruneckNur 33 Prozent der SüdtirolerInnen vertrauen dem italienischen Rechtssystem. 55 Prozent meinen, die Anwälte sollten in Bezug auf die Kosten transparenter sein.

von Artur Oberhofer

33% der Südtirolerinnen und Südtiroler geben im Jahr 2015 an, dass sie dem italienischen Rechtssystem vertrauen. Dieser Wert ist leicht höher als jener, der 2014 auf gesamtstaatlicher Ebene erhoben wurde (29%). Er liegt aber deutlich unter dem Wert in den meisten europäischen Ländern und unter dem Durchschnitt der OECD-Länder (54% im Jahr 2014).

Auf einer Skala von null bis zehn, wobei null „kein Vertrauen“ und zehn „großes Vertrauen“ bedeuten, beträgt das durchschnittliche Vertrauen der Südtiroler Bevölkerung in das italienische Rechtssystem 4,3.

Das Misstrauen in das Rechtssystem verteilt sich ziemlich gleichmäßig über die gesamte Südtiroler Bevölkerung. Die Analyse nach einigen soziodemografischen Merkmalen ergibt zwar leichte Unterschiede, die jedoch in vielen Fällen nicht signifikant sind. Die größten Unterschiede, die auch durch die Regressionsanalyse belegt wurden, bestehen hinsichtlich der Staatsbürgerschaft (italienisch oder ausländisch) und der Sprache, in welcher der Fragebogen beantwortet wurde (italienisch oder deutsch):

–            der Anteil der Personen, die dem italienischen Rechtssystem vertrauen, ist unter den Ausländern höher als unter den Inländern (50,9% zu 31,5%);

– 39,7% derjenigen, die den Fragebogen in italienischer Sprache beantwortet haben, bewerten ihr Vertrauen in das italienische Rechtssystem mit mindestens „genügend“ (Wert >6), während es unter den Personen, die den deutschen Fragebogen be- antwortet haben, 29,8% sind.

12,3% der SüdtirolerInnen im Alter von mindestens 18 Jahren (ungefähr 47.500 Personen) waren im Laufe ihres Lebens entweder als Kläger oder Beklagter in mindestens ein Zivilverfahren verwickelt.

Männer sind häufiger Beteiligte in Zivilverfahren als Frauen. 15,6% der Männer haben angegeben, dass sie im Laufe ihres Lebens entweder als Kläger oder Beklagter in mindestens ein Zivilverfahren verwickelt waren. Bei den Frauen beträgt dieser Anteil 9,2%.

40,4% derjenigen, die im Laufe ihres Lebens in einem Zivilverfahren beteiligt waren, waren in ein Trennungs- oder Scheidungsverfahren verwickelt.

Der Anteil der Beteiligten an Verfahren in den Bereichen Arbeit (14,2%), Kinder, Familienstreitigkeiten oder Erbschaft (12,4%), Probleme im Kondominium oder mit den Nachbarn (9,4%) und Verkehrsunfälle oder Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung (6,8%) ist jeweils niedriger.

29,2% waren an Zivilverfahren in anderen Bereichen beteiligt wie z.B. Streitigkeiten zwischen Kunden und Lieferanten, Zwangsräumungen oder Abtretungen von Immobilien, Versicherungen, Vorsorge, Konkurse, Un- ternehmensprobleme usw.

55,8% der Südtirolerinnen und Südtiroler, die in einem Zivilverfahren beteiligt waren, bewerten ihre Erfahrungen mit der Zivilgerichtsbarkeit positiv. 23,8% sind wenig zufrieden und 20,4% überhaupt nicht zufrieden.

In Bezug auf die Kosten für das Gerichtsverfahren ist vorauszuschicken, dass 70,3% der Betroffenen nicht über den Beginn des Verfahrens informiert waren. 37,9% geben an, dass sie mehr ausgegeben haben als vorgesehen war, während 62,1% genau soviel (44,0%) bezahlt haben, wie veranschlagt war, oder weniger (18,1%).

85,7% derjenigen, die mehr ausgegeben haben als geplant, wussten bei Verfahrensbeginn nicht, welche Ausgaben auf sie zukommen würden. 55,5% sind der Meinung, dass die Anwälte transparenter sein sollten bezüglich der Gesamtkosten bzw. der Honorare.

Hinsichtlich der Kosten gibt außerdem mehr als die Hälfte derjenigen, die an einem Zivilverfahren beteiligt waren, an (59,1%), dass sie keinerlei Vorteile aus dem Verfahren gezogen hat.

Die Südtiroler Bevölkerung weiß relativ gut Bescheid über die alternativen Möglichkeiten der Schlichtung von Streitfällen wie Schiedsverfahren und Mediation. Das Schiedsverfahren kennen 66,3% der volljährigen Bevölkerung und etwa gleich viele (63,2%) wissen, dass es die Möglichkeit der Mediation gibt.

Die Männer sind über diese Themen besser informiert als die Frauen und die Personen mit einem höheren Studientitel besser als jene mit einem niedrigeren.

Nur 4,3% der volljährigen Südtirolerinnen und Südtiroler haben im Laufe ihres Lebens auf eine dieser beiden alternativen Formen zur Schlichtung von Streitfällen zurückgegriffen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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