Auf dem Gipfel
Eumir Martinelli hat sich einen Traum erfüllt: Der Polizist aus Brixen stand am 30. September auf dem Gipfel des Cho Oyu auf 8.201 Metern. Der 39-Jährige über seine Expedition im Himalaya.
TAGESZEITUNG Online: Herr Martinelli, wie geht es Ihnen nach den Strapazen?
Eumir Martinelli: Mir geht es gut. Fünf Tage lang, nach der Gipfelbesteigung, konnte ich aufgrund der Anstrengungen nichts essen. Ich habe nur Coca Cola getrunken. Als ich auf 3.500 Metern Meereshöhe zurück war, habe ich mich aber sofort besser gefühlt.
Wann sind Sie gestartet?
Ich bin am 28. August abgereist, in Kathmandu haben wir zwei Tage lang die Ausrüstung zusammengestellt. Von dort aus sind wir mit dem Flugzeug nach Lhasa in Tibet geflogen. Wegen des Erbebens im vergangenen Jahr ist nämlich die direkte Straße zum Basislager, auf die eine Erdrutsch abgegangen ist, gesperrt. Von Lhasa sind es dann 800 Kilometer mit dem Jeep zum Basislager, nach drei Tagen, am 5. September kamen wir auf 5.000 Metern Meereshöhe an.
Nach weiteren zwei Tagen Marsch erreichten wir das effektive Basislager auf 5.600 Metern. Von dort aus sind wir dreimal zum Camp 1 aufgestiegen, jeweils wieder zum Basislager zurückgekehrt und haben uns dort für zwei bis drei Tage ausgeruht. Dann sind wir auf Camp 1 aufgestiegen, sind dort zwei Tage geblieben und dann auf Camp 2 aufgestiegen, wo wir Schlafsäcke, Zelte, Gasflaschen und Kocher positioniert haben. Danach sind wir wieder zum Basislager zurück.
Vom 26. bis 29. September wurde schönes Wetter vermeldet. Zuvor herrschte immer schlechtes Wetter vor. Alle Expeditionen sind am 26. September Richtung Gipfel gestartet.
Wie viele Leute befanden sich im Basislager?
Mehrere hundert Leute, darunter eine große chinesische Militärexpedition mit rund 50 Alpinisten. Viele haben aber schon im Basislager aufgegeben, weitere im Camp 1. Den Gipfel effektiv versucht haben rund 200 Alpinisten, 50 sind bis Camp 3 aufgestiegen, rund 30 haben den Gipfel versucht. Der Großteil ist aber mit Sauerstoff aufgestiegen.
Aus wie vielen Alpinisten setzte sich Ihre Expedition zusammen?
Wir waren zu viert. Ein Mann aus Brescia, ein junger Mann aus Como, ein Bergfrüher aus Turin, der die Expedition geleitet hat, und ein nepalesischer Sherpa waren in meiner Gruppe. Ein Teilnehmer ist nach Camp 1 umgekehrt. Auf Camp 2 mussten wir zwei Tage lang in den Zelten verharren, weil es gestürmt hat. Die beiden anderen spürten die Müdigkeit, konnten nicht richtig essen. Als wir zum Camp 3 aufsteigen wollten, sind die beiden ebenfalls umgekehrt.
Wie war der Gipfeltag?
Man muss den Kopf und den Ehrgeiz haben, um den Gipfel zu erreichen. Es herrschten Minus 26 Grad und eine Windstärke von 30 Stundenkilometern, perfekte Verhältnisse. Es herrschte Lawinengefahr und es war etwas schwierig, den richtigen Weg zu finden. Ich war aber wirklich erstaunt: Es war ein langer Weg, ich war sehr müde. Ich habe mir aber nicht erwartet, dass ich es so leicht schaffe. Ich habe zehn Stunden gebraucht, 600 Höhenmeter zu schaffen. Um 13.15 Uhr war ich am Gipfel auf 8.201 Metern.
Mit wie vielen Leuten waren Sie auf dem Gipfel?
Ich habe den Gipfel mit meinem Sherpa Nuru erreicht, ein Rumäne mit zwei weiteren Sherpas war fast gleichzeitig dort. Wir haben keinen künstlichen Sauerstoff benutzt. Auch ein Schweizer und ein Peruaner sind innerhalb einer Stunde am Gipfel angekommen. Jene Bergsteiger, die Sauerstoff benützt haben, waren gegen 10.00 Uhr am Gipfel.
Und der Abstieg?
Wir waren um 18.00 Uhr zurück auf Camp 3, wo wir geschlafen. Am Tag nach dem Gipfel bin ich um 6.00 Uhr morgens aufgewacht, mir ging es nicht gut. Ich dachte, ich müsste jetzt sterben. Ich konnte nicht mehr richtig denken, konnte kaum reden und konnte bestimmte Wörter nicht mehr richtig aussprechen. Ein Arzt hat mir erklärt, dass wahrscheinlich Sauerstoffmangel im Zelt herrschte. Vier Tage lang auf einer Höhe von 7.600 Metern zu schlafen, ist gefährlich. Diese Erfahrung hat mich gelehrt, dass es nur wenig braucht und es geht einem Menschen in kürzester Zeit wirklich sehr schlecht.
Haben Sie nie künstlichen Sauerstoff zu verwendet?
Beim Abstieg, im Camp 2, nach dem Erlebnis am Vortag, habe ich für eine halbe Stunde künstlichen Sauerstoff zu mir genommen.
Welches Erlebnis hat Sie besonders beeindruckt?
Das Himalaya-Gebiet ist magisch und wunderschön. Allein schon im Basislager zu sein, ist beeindruckend. Die imposanten, leuchtenden Berge, der glänzend weiße Schnee, das weitläufige Gelände – unbeschreiblich.
Ein Jahr nach dem Erdbeben: Was ist noch zu sehen?
In Kathmandu merkt man von der Tragödie nichts mehr. Alles ist zur Normalität zurückkehrt, einige antike Tempel werden instand gesetzt. Einzig die Straße, die Nepal mit Tibet verbindet, ist geschlossen.
Sprechen die Sherpas vom Unglück?
Nuru, mein Sherpa, hat einen Bruder beim Unglück verloren. Viele Waisenkinder sind zurückgeblieben. Viele kleine Dörfer wurden zerstört. Die Sherpas sagen, dass wir helfen können, wenn wir in ihr Land reisen. Wir bringen Arbeit und Geld.
Wie viel kostet eine Expedition?
Wir haben 11.000 bis 12.000 Euro ausgegeben, zusätzlich der persönlichen Ausrüstung. In Tibet kosten die Expeditionen mehr, das Permit muss in China angefragt werden. Dann hängt der Preis auch von den Agenturen ab: Es gibt amerikanische Agenturen, die den Cho Oyu um 30.000 Dollar anbieten.
Vor sechs Jahren haben Sie schon einmal einen Achttausender probiert?
Ich wollte auf den Gipfel des Manaslu mit einer Höhe von 8.163 Metern in Nepal. 100 Meter vor dem Gipfel musste ich umkehren.
Das nächste Ziel?
Vielleicht mache ich 2018 einen weiteren Gipfel im Himalaya. Die Lust wäre vorhanden.
Interview: Erna Egger
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