Der Verfassungs-Showdown
In einer hitzigen Debatte sprach sich der Regionalrat am Donnerstag gegen ein Nein zur Verfassungsreform aus. Die Mehrheit wollte die Abstimmung verhindern.
Der Regionalrat behandelte am Donnerstag einen Beschlussantrag, eingebracht von den Regionalratsabgeordneten Pöder, Blaas und Oberhofer mit dem Titel „Verfassungsreferendum: Nein zur Verfassungsreform der Regierung Renzi, Nein zur Schwächung der Autonomie, Nein zur Stärkung des Zentralstaates“, debattiert.
„Durch die Verfassungsreform wird die bisherige mit einfachem Staatsgesetz geltende Ausrichtungs- und Koordinierungsbefugnis quasi in den Verfassungsrang erhoben und somit zu einem Autonomie-Killerwerkzeug”, meinte Andreas Pöder (BürgerUnion).
„Der Staat kann damit in allen Bereichen im nationalen Interesse Gesetze beschließen und aktiv werden, die nicht ausdrücklich der Region oder den Provinzen vorbehalten sind, im Falle unserer Region in all Jenen Bereichen, die nicht ausdrücklich im Autonomiestatut als ausschließliche Befugnisse der Region oder der Provinzen festgeschrieben sind.”
Pöder kritisierte die Erklärung von Udine, mit der sich zahlreiche Bürgermeister hinter die Reform stellten und die auch Kompatscher und Rossi unterschrieben hätten. Die Sicherheitsklausel werde nicht halten.
Die Verfassungsreform sei ein Problem für Südtirol, erklärte Pius Leitner (Freiheitliche), der die Unterschrift unter das Dokument von Udine ebenso wie die SVP kritisierte, die nun ihre Ortsobleute zum Ja vergattere. Auch das angekündigte Wahlgesetz könne er als Demokrat nicht akzeptieren. Dieses sei ein Geschenk an die SVP, da eine 20-Prozent-Hürde andere Parteien verhindere.
Bernhard Zimmerhofer (Süd-Tiroler Freiheit) erinnerte an den Schulterschluss mit Vertretern anderer Unabhängigkeitsbewegungen zur Ablehnung der Reform. Diese sprächen von einem Handstreich gegen die Autonomien und Minderheiten, sähen in der Reform aber auch innere Unstimmigkeiten, die zu Rechtsstreitigkeiten führen würden. Schwerwiegend sei auch die Durchsetzung des nationalen Interesses gegen den Willen der betroffenen Regionen.
Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung) zitierte eine frühere Schrift von Renzi, in der dieser die Abschaffung der Sonderautonomien angekündigt hatte. Ähnliche Äußerungen gebe es von Ministerin Boschi. Die Reform ziele im Wesentlichen auf Zentralismus und Schwächung einer Kammer des Parlaments, der Rest sei Marktgeschrei. Der Senat werde zum Freizeitclub der Bürgermeister, die Gesetzgebung damit nicht schneller, denn meistens werde mit Regierungsdekreten regiert. Es gehe also nur um die Zentralisierung der Macht. Mit dem neuen Wahlgesetz und dem unbedeutenden Senat werde Renzi die SVP nicht mehr brauchen. Köllensperger zweifelte an der Sicherheitsklausel, es sei unwahrscheinlich, dass Italien zwei Verfassungen auf seinem Staatsgebiet akzeptieren werde.
Alessandro Urzì (gemischte Fraktion) verteidigte die Möglichkeit zur Durchsetzung des nationalen Interesses. Ein gesunder Regionalismus brauche sich davor nicht zu fürchten. Dennoch gebe es zahlreiche Gründe, gegen die Reform zu sein. Diese sei eine Gefahr für die Demokratie, vor allem in Verbindung mit dem Wahlgesetz, das der stärksten Partei 55 Prozent der Sitze zuerkenne. Das sei wenig verwunderlich bei einem Ministerpräsidenten, der nicht vom Volk gewählt, sondern vom Staatspräsidenten, einem historischen Vertreter der Linken, eingesetzt wurde.
Man sollte von Fakten ausgehen, nicht von Meinungen, mahnte Dieter Steger (SVP). Er äußerte formale Bedenken zum Antrag. Zum Referendum würden alle Parteien den Bürgern ihre Empfehlungen übermitteln wollen, daher wäre es unpassend, wenn der Regionalrat vorgreifen würde. Pöder sollte den Antrag zurückziehen. Alle sähen in der zentralistischen Reform ein Problem, andererseits bekomme man mit der Schutzklausel etwas, was man bisher nicht hatte. Damit könne man sich ohne Angst an die Reform des Statuts wagen.
Andreas Pöder wollte seinen Antrag nicht zurückziehen und verwies darauf, dass bereits Rossi und Kompatscher mit ihrer Unterschrift unter das Dokument von Udine bereits dem Referendum vorgegriffen hätten. Er legte außerdem einen Änderungsantrag vor: Der Regionalrat lehne diese Reform zum Schaden der Autonomie ab.
Arno Kompatscher, Präsident der Region, lud dazu ein, das Dokument von Udine zu lesen: Dies sei keine Zustimmung zur Reform, sondern unterstreiche das Prinzip des Einvernehmens. Er sprach sich dagegen aus, dass ein Parlament mit Mehrheitsbeschluss eine Wahlempfehlung für ein Referendum abgibt. Er selbst werde wegen der Schutzklausel, die eine große Errungenschaft sei, mit Ja stimmen.
Kompatscher habe als Präsident der Region ein Dokument unterschrieben, das die Sonderregionen nicht als separate Einrichtungen, sondern als Teil des Ganzen bezeichne, erklärte Pöder in seiner Replik. Das sei ein Werbespot für die Reform. Damit hätten er und Rossi den Pariser Vertrag zerrissen.
Der Antrag wurde in geheimer Abstimmung mit 17 Ja, 32 Nein und 2 Enthaltungen abgelehnt.
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