Altersloses Südtirol
Das 8. Global Forum Südtirol in Bozen stand unter dem Motto: „Altersloses Südtirol 2050“. Wie verändert der demographische Wandel Südtirol?
Die alterslose Gesellschaft, befördert durch den Megatrend des demographischen Wandels, ist eine der intensivsten Entwicklungen unserer Zeit – eine Gesellschaft, die älter wird und dabei länger jung bleibt.
Ein Phänomen, das eine drastische Veränderung der Gesellschaft bedeutet und immense Herausforderungen, aber auch Chancen in sich birgt. Wie muss sich die Südtiroler Politik darauf vorbereiten? Was bedeutet es für die Wirtschaft oder den Gesundheitssektor? Was sind die Produkte und Dienstleistungen der Zukunft? Und wie kann sich Südtirol positionieren und darauf einstellen?
Internationale Experten und Persönlichkeiten aus der heimischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gingen unter anderem diesen Fragen auf den Grund – beim 8. Global Forum Südtirol (GFS) zum Thema „Altersloses Südtirol 2050“ am Freitag an der Freien Universität in Bozen.
„Wenn wir über die Zukunft Südtirols diskutieren, müssen wir über die Grenzen hinausschauen, internationale Trends und Phänomene beobachten und für Südtirol deuten. Denn auch die Entwicklung unserer Region ist nicht losgelöst vom internationalen Kontext zu betrachten“, ist GFS-Gründer und Organisator Christian Girardi überzeugt.
„Im internationalen Vergleich hat Italien bereits heute eine der ältesten Gesellschaften vorzuweisen. Es ist notwendig von anderen Ländern zu lernen – denn womit sich beispielsweise heute Japan, die älteste Gesellschaft der Welt, beschäftigt, gehört in Zukunft bei uns zur Tagesordnung. Südtirol muss aktiv bleiben und frühzeitig Know-How von Aussen einholen.“
Ziel des GFS ist es, Impulse zu geben und eine öffentliche Debatte über die Zukunft Südtirols anzustoßen, die quer über alle Bereiche und Disziplinen geführt wird. „Es geht um eine langfristige Vision für Südtirol.“
Eröffnet wurde das 8. Global Forum Südtirol durch einen Dialog zwischen Roland Psenner (Präsident der EURAC), Renzo Caramaschi (Bürgermeister der Gemeinde Bozen) und Walter Lorenz (Rektor der Freien Universität Bozen).
„Unser Weg als Universität in einer demographisch sich verändernden Gesellschaft ist klar vorgezeichnet: Wissenserwerb in jedem Alter wird zur Priorität erklärt; unsere mittlerweile knapp 30 verschiedenen Bachelor-, Master- und PhD-Programme wenden sich ganz explizit nicht nur an junge Studierende, sondern auch an Quereinsteiger und Wissensdurstige. Das Studium Generale eröffnet das Studium für die allgemeine Bevölkerung, unsere Online-Vorlesungsmodule erleichtern das berufsbegleitende Studieren, eine „School of Lifelong Learning“ wird die gesamte Bildungslandschaft auf zukünftige Weiterbildungsbedürfnisse hin ausrichten. Durch die Kombination von Forschung und Lehre vermittelt unibz Wissen, das zukünftigen Veränderungen gerecht wird und das Menschen erlaubt, die Entwicklungen positiv zu beeinflussen. “
Florian Kohlbacher, Direktor des The Economist Corporate Networks in Nordasien, ging in seinem Referat ein auf das Thema „Alterslos und Transgenerational: Geschäftschancen und Herausforderungen in der alternden Gesellschaft“.
Er ist international renommierter Experte für Wirtschaftstrends und vor allem für seine Arbeiten zu den betriebswirtschaftlichen Implikationen des demographischen Wandels bekannt. Als Leiter der Wirtschaftsabteilung des Deutschen Instituts für Japanstudien in Tokio, hat er das Phänomen der alterslosen Gesellschaft in Japan jahrelang erforscht und konnte zukünftige Chancen und Herausforderungen für Südtirol, sei es wirtschaftlich, als auch gesellschaftlich aufzeigen.
„Wir messen dem Alter viel zu viel Bedeutung zu. Das biologische Alter ist aber nur eine einfache Zahl, die nur sehr wenig über die tatsächlichen Lebensumstände und die Wirtschaftskraft eines Menschen aussagt. Was wir brauchen ist eine transgenerationale Perspektive, die es uns ermöglicht eine alterslose Gesellschaft zu kreieren, in denen Menschen jeglichen Alters gemeinsam produktiv sind.“
Im Anschluss daran folgten die Ausführungen von Alessandro Curioni, Vice President von IBM Europa und Direktor des IBM Forschungszentrums in Zürich, zum Thema „Die Zukunft der Digitalisierung – Chance für die alterslose Gesellschaft“.
Er ist Experte von Weltruf auf den Gebieten High Performance Computing und Computational Science, der mit fundierten Kenntnissen und innovativer Forschung grundlegend zur Lösung von hochkomplexen technologischen Problemstellungen in verschiedenen Bereichen beiträgt. „Im sich abzeichnenden neuen Zeitalter der kognitiven Datenverarbeitung werden hochentwickelte Technologien wesentlich dazu beitragen, den Bedürfnissen einer facettenreichen und älter werdenden Gesellschaft Rechnung zu tragen, besonders im Bezug auf Gesundheitsversorgung, Konnektivität, Sicherheit, Würde und Eigenständigkeit“, meint Curioni.
„Durch den Einsatz einer kognitiven Plattform wie IBM Watson könnten zum Beispiel Finanzinstitute vorhandene Finanzmodelle auf einfache Weise mit Marktdaten, offiziellen Mitteilungen sowie den Geldbewegungen älterer Mitbürger integrieren, womit sich dann ein allgemeiner Finanztypus älterer Menschen erstellen lässt, um sie vor Betrug zu schützen. Aber gehen wir damit doch einen Schritt weiter: In Zukunft könnte ein auf Blockchain basierendes, virtuelles Portemonnaie mit biometrischen Sicherheitseigenschaften entwickelt werden, um das Risiko noch weiter zu senken.”
Aus unterschiedlichen Perspektiven begegneten auch die diesjährigen Podiumsteilnehmer dem Thema und griffen verschiedene Aspekte auf, sei es wirtschaftlich, medizinisch oder sozial: Lukas Prantl (Leiter des Hochschulzentrums für Plastische-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Regensburg), Artur Schmitt (Präsident Bildungshaus Kloster Neustift, Vahrn), Barbara Pizzinini (Geschäftsführerin EOS Sozialgenossenschaft, Bruneck), Verena Oberrauch (Leiterin Vertrieb Finstral – Belgien, Österreich und Schweiz, Ritten) und Frank Leyhausen (Geschäftsführer Medcom International GmbH, Bonn).
Im Rahmen einer offenen Podiumsdiskussion legten diese Vordenker ihre Standpunkte und Ideen für die Zukunft Südtirols dar. Auch die rund 300 Besucher konnten sich an der spannenden Debatte beteiligen. Die Podiumsdiskussion wurde – wie die gesamte Veranstaltung – von Gerlinde Manz-Christ moderiert.
Das GFS, 2009 von Christian Girardi gegründet, wird von einem Team von erfahrenen Südtirolern im In- und Ausland unterstützt, sowie von zahlreichen Supportern und Sponsoren Jahr für Jahr weiterentwickelt.
Als Plattform des Austauschs von Meinungen und Perspektiven werden im Forum immer wieder gesellschaftsrelevante Fragen aufgeworfen.
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