Die Milch-Drosselung
Über 52.000 europäische Milchbauern haben um den EU-Nichtlieferbonus angesucht. Die bereitgestellten 150 Millionen Euro sind fast zur Gänze ausgeschöpft. Warum sich Südtirols Betriebe zurückgehalten haben.
von Heinrich Schwarz
Wenn Milch günstiger ist als Mineralwasser, läuft etwas gewaltig schief. Tatsache ist: Der europäische Milchmarkt steckt in einer noch nie dagewesenen Krise. Viele Bauern können nicht mehr kostendeckend arbeiten und müssen aufgeben. Grund der Krise ist eine Überproduktion, die durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren entstanden ist: das Ende der EU-Milchquoten, die russischen Sanktionen, der Rückgang der asiatischen Importe und die Ölkrise.
Im Juli hat die EU-Kommission ein 500 Millionen Euro schweres Hilfspaket genehmigt. 350 Millionen Euro werden auf die EU-Mitgliedsstaaten aufgeteilt, die eigene Programme umsetzen können. 150 Millionen Euro wurden für ein EU-weites Programm zur Reduzierung der Milchproduktion zweckgebunden. Konkret: Wer sich bereiterklärt, seine Milchmenge zu drosseln, wird mit 14 Cent pro Kilogramm entschädigt.
Die erste Antragsrunde in Bezug auf das Milchreduzierungsprogramm ist inzwischen abgeschlossen– und die EU-Kommission hat eine erste Bilanz veröffentlicht. Demnach gab es EU-weit 52.101 Anträge. Die betroffenen Milchbauern wollen ihre Produktion im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2016 um insgesamt 1.060.021 Tonnen reduzieren. Dies kommt einer Auszahlung von 148,4 Millionen Euro gleich. Der Topf von 150 Millionen Euro ist somit bereits nach der ersten von vier Antragsrunden beinahe ausgeschöpft. Wer erst jetzt ansucht, schaut womöglich durch die Finger.
Die größte geplante Drosselung gibt es in Deutschland mit 286.049 Tonnen bei 9.947 Anträgen – gefolgt von Frankreich und Großbritannien. In Italien hat man mit gerade einmal 921 Anträgen entweder geschlafen oder bewusst auf die EU-Gelder verzichtet.
Und wie sieht es in Südtirol aus?
Beim Bauernbund hat man noch keine offizielle Zahlen. Joachim Reinalter, Obmann des Sennereiverbandes, sagt aber: „Ich gehe davon aus, dass es nicht viele Ansuchen gibt. Sinn macht es eigentlich nur für diejenigen, die – etwa aus gesundheitlichen Gründen – ohnehin aus der Produktion aussteigen oder diese drastisch reduzieren wollen.“
Das hat einen einfachen Grund: Ein Bonus von 14 Cent pro Kilogramm, der weniger produziert wird, zahlt sich kaum aus. Denn in Südtirol werden aufgrund der hohen Qualitätsstandards verhältnismäßig hohe Preise ausgezahlt. Im Vorjahr lag der Durchschnitt bei 51 Cent.
EINEN AUSFÜHRLICHEN ARTIKEL ZUM THEMA SAMT GRAFIK FINDEN SIE IN DER FREITAG-AUSGABE DER TAGESZEITUNG.
Ähnliche Artikel
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.