„Soll Blut fließen?“
Alessandro Urzì legte im Autonomie-Konvent einen denkwürdigen Auftritt hin: Der Abgeordnete warnte davor, mit einer Selbstbestimmungs-Debatte eine „neue Kriegsstimmung“ in Südtirol zu schüren.
Von Matthias Kofler
Die Mitglieder des Forums der 33 staunten nicht schlecht, als Alessandro Urzì im Autonomie-Konvent einen denkwürdigen Auftritt hinlegte. Angesichts der Verantwortung, die er als Landtagsmandatar wahrnehme, sehe er sich dazu genötigt, das Wort zu ergreifen, erklärte der Abgeordnete von Alto Adige nel Cuore.
Laut dem Landesgesetz, mit dem der Autonomie-Konvent eingesetzt wurde, haben alle Abgeordneten des Landtags die Möglichkeit, sich jederzeit in die Debatten einzubringen, auch wenn sie selbst nicht Mitglieder des Forums der 33 sind.
Auf der Tagesordnung des Konvents stand das Thema Selbstbestimmung. Wie Präsident Christian Tschurtschenthaler am Ende der Sitzung unterstrich, wurde die Diskussion über das „polarisierende Thema“ in einem „sehr sachlichen und angenehmen Klima geführt“. Diskutiert wurde, ob es opportun sei, im Autonomie-Konvent über Selbstbestimmung zu sprechen oder ob es nicht über die Aufgabe des Konvents der 33 hinausgehe, da das Landesgesetz Nr. 3/2015 von der Überarbeitung des Autonomiestatuts spricht.
Gegenstand der Diskussion war die völkerrechtliche Definition des Selbstbestimmungsrechts. Ebenso wurde auf verschiedene internationale Beispiele wie Kanada, Nordirland, Schottland und Kosovo verwiesen und auch aus internationalen und nationalen Rechtsquellen zitiert. Dabei wurden nicht nur die rechtlichen, sondern auch die politischen und gesellschaftlichen Hürden, aber auch Chancen, angesprochen.
Der Landtagsabgeordnete Alessandro Urzì machte von seinem Recht auf Anhörung Gebrauch, wie es im Gesetz zum Autonomie-Konvent vorgesehen ist. In seiner Ansprache forderte er den Konvent der 33 auf, nicht über Selbstbestimmung zu sprechen, da dieses Thema wieder Konflikte zwischen den Sprachgruppen auslösen könnte.
Urzì sagte wörtlich:
„Ich nehme mit Überraschung zur Kenntnis, dass hier über die Sezession gesprochen wird, also über ein Thema, das über die Autonomie – und damit auch über den Rahmen dieses Konvents hinausgeht. Entweder man glaubt an die Autonomie, oder man steht auf und geht. Hier wird über die Autonomie diskutiert. La secessione non c’entra nulla. Ich fordere daher den Präsidenten auf, den Ablauf der Arbeiten wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Sonst erarbeitet der Konvent ein Dokument, das am Ende wertlos ist. Ich appelliere an die Ethik und die Moral der anwesenden Mitglieder. In Südtirol wurde ein Ehrenabkommen geschlossen, in das die verschiedenen Sprachgruppen, die Staaten Italien und Österreich und die Parteien miteinbezogen wurden. In anderen Staaten, wo Lösungen gegen den Geist der Autonomie gesucht wurden, hat das zu Kriegen geführt. Wollen wir, dass wieder Blut fließt? Mit dieser extrem dramatischen Debatte wird eine neue Kriegsstimmung geschürt, es werden Konflikte heraufbeschworen. Jeder, der treu gegenüber der Autonomie bleibt, muss sich gegen diese extrem dramatische Lösung aussprechen.“
Christian Tschurtschenthaler widersprach seinem Landtagskollegen mit großer Entschiedenheit: Der Konvent habe zu Beginn seiner Arbeiten fünf Makrothemen vereinbart, über die offen debattiert werden sollte. Diese Makrothemen seien ein Querschnitt der Südtiroler Bevölkerung. Eines der zu behandelnden Themen sei die Selbstbestimmung. „Jedes Mitglied hat das Recht, hier frei seine Meinung zu äußern“, unterstrich der SVP-Politiker.
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