„Aus allen Wolken gefallen“
In Bozen steht ein Postbeamter vor Gericht, dem seine Ex-Partnerin vorwirft, sie eineinhalb Jahre lang getäuscht und finanziell ausgenommen zu haben. Eine unglaubliche Geschichte.
Von Thomas Vikoler
Eine schlanke Frau steht mit ihrem Bruder im Gang des Bozner Tribunals und weint. Sie erzählt über eine Liebesbeziehung, die 2012 in einem Fitnessstudio begann und im Oktober 2013 abrupt endete.
Der Anlass: Die Frau hatte erfahren, dass sich ihr Partner als eine Art Heiratsschwindler betätigte. Sein eigener Sohn, Spross einer früheren Beziehung mit einer Frau aus Leifers, hatte die Tochter der 47-jährigen Boznerin via Facebook darauf aufmerksam gemacht.
„Ich bin aus allen Wolken gefallen. Ich war geschockt“, erzählt sie nun unter Tränen. Im Saal B des Gerichts war gerade die Erstverhandlung gegen Massimo Santangelo, 52, so heißt er aus Neapel gebürtige Ex-Partner, über die Bühne gegangen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm einen zweifachen Betrug vor, weil sich die Frau und ihr Bruder als Zivilpartei einlassen wollen, vertagte Richter Oswald Leitner auf den 12. Jänner.
Laut den Berichten der mutmaßlich Betrogenen war Santangelo, nomen est omen, während der eineinhalbjährigen Beziehung, ein „wahrer Engel“. Er kümmerte sich wie ein Vater um die beiden Kinder der Frau und erfüllte ihr auch sonst beinahe jeden Wunsch. Heiraten wollte er sie auch, die Hochzeit und die Hochzeitsreise nach Mauritius im Mai 2013 waren bereits geplant. Doch weil die vorangegangene Ehe Santangelos bis dahin nicht aufgelöst war, wurde der Termin verschoben.
„Zum Glück“, wie die Frau nun feststellt.
Denn während der Beziehung habe sie der nunmehrige Angeklagte um eine stattliche von 35.000 Euro betrogen. Da ist einmal die Geschichte mit dem Postsparbuch. Santangelo war damals als Beamter in der Filiale in der Bozner Duca-d´Aosta-Straße tätig und schwärmte seiner Partnerin von den hohen Zinssätzen vor. Am 5. November 2012 überwies die Frau laut Anklageschrift 5.500 Euro, ihre Abfertigung, auf ein Postkontokorrent, das auf Santangelo lautete. Postangestellte hatten angeblich einen Zinsvorteil. Es folgten weitere Überweisungen im Wert von 12.500 Euro.
Das Geld, insgesamt 18.000 Euro, sah die Frau nicht wieder.
Sie wirft ihrem Ex-Partner auch vor, ihr weitere 17.000 Euro (der Betrag findet sich nicht in der Anklageschrift) abgeknöpft zu haben. Wie? Indem er Rechnungen für Strom oder Telefon, die er mit ihrem Geld hätte begleichen sollen, schlichtweg nicht einzahlte. „Monate später bekam ich dann die Mahnung, mir werde der Stromabgeschnitten“, erinnert sich die 47-Jährige.
Eigenes Geld hatte der Partner offenbar wenig, er verdiente bei der Post knapp tausend Euro. Dennoch versprach er der Frau, die monatlich Raten für ihre Eigentumswohnung abzustottern hatte, mit ihr in eine große Wohnung in der Fagenstraße zu ziehen. Die Wohnung, deren Kauf er, so das Versprechen, über eine Erbschaft finanzieren wollte, wurde gemeinsam besichtigt, die Möbel bestellt.
Daraus wurde nichts, nach Ende der Beziehung im Oktober 2014 habe sie sich mit offenen Rechnungen der Möbelfirma herumschlagen müssen, berichtet die Frau.
Auch ihr Bruder ist im Strafprozess gegen Santangelo als Geschädigter aufgeführt. Er übergab seinem „Schwager“ 1.140 Euro für eine gemeinsame Reise nach Griechenland, die dieser angeblich gebucht hatte. Wie sich herausstellte, war das nicht der Fall.
Dass die beiden Geschwister ihre Geschichte nun erzählen, hat für sie einen einfachen Grund: Sie wollen potentielle Opfer vor dem Angeklagten warnen. Dass sie von ihm Geld zurückbekommen, bezweifeln sie.
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