Freispruch oder Verjährung?
Bestätigung des Freispruchs oder Verjährung mit Schadenersatz? Am Donnerstag entscheidet die Kassation über das Schicksal von Ex-SEL-Direktor Maximilian Rainer in der Causa Stein an Stein I.
Von Thomas Vikoler
Selbst Verteidiger Carlo Bertacchi klappten die Kinnladen hinunter, als der Vorsitzende Richter Johann Pichler am 20. Oktober vergangenen Jahres das Urteil verkündete: Freispruch, weil keine Straftat vorliegt.
Maximilian Rainer, vormals mächtiger Direktor der Landesenergiegesellschaft SEL, hat demnach seinen früheren Arbeitgeber nicht betrogen, indem er – laut Anklage – über seine Wiener Strohfrau Petra Windt günstig ein Kraftwerk in Mittewald kaufte, das der SEL-Verwaltungsrat 2006 für nicht kaufwürdig erachtet hatte.
In erster Instanz war Rainer im November 2014 wegen Betrugs zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die Richter des Oberlandesgerichtes begründeten die Aufhebung des Urteils mit der simplen Einschätzung, dass die SEL zivilrechtlich kein Kaufversprechen mit dem vormaligen Kraftwerks-Eigentümer Johann Breiteneder eingegangen sei.
Darum wird es vornehmlich bei der heutigen Verhandlung vor der römischen Kassation gehen. Generalstaatsanwalt Paul Ranzi hatte den Freispruch erwartungsgemäß angefochten und argumentiert, dass ein umfassender „Verbrechensplan“ hinter dem verdeckten Ankauf der Kraftwerks gestanden habe.
Die Kassation hat zwei Möglichkeiten der Entscheidung: Entweder wird der Rekurs Ranzis als unzulässig abgewiesen, wodurch der zweitinstanzliche Freispruch rechtskräftig wäre. Oder sie erklärt die Verjährung des Betrugs (die Verjährung ist bereits im vergangenen Jahr eingetreten) und verweist den Fall an das Oberlandesgericht Trient zwecks Festlegung zivilrechtlicher Ansprüche der Nebenklägerin SEL. Das wäre dann, ohne strafrechtliche Konsequenzen für Rainer, die faktische Feststellung seiner Schuld.
Diese hielt dieselbe Kammer der Kassation, die heute zusammentritt, bereits einmal für gegeben, indem sie die Schuldsprüche gegen die früheren SEL-Verwalter Klaus Stocker und Franz Pircher zur Causa Stein an Stein I bestätigte. In der Urteilsbegründung wird Maximilian Rainer (er hatte sich für ein getrenntes Verfahren entschieden) als der „Kopf“ des Verbrechens bezeichnet.
Die entscheidende Frage lautet also: Distanzieren sich die aktuellen Richter der II. Sektion vom früheren Spruch ihrer Kollegen oder folgen sie dessen umfangreicher Rekonstruktion des mutmaßlichen Betrugs?
Für den Fall einer Bestätigung des Freispruchs für Rainer haben die Anwälte von Stocker und Pircher bereits einen Antrag auf eine Revision ihres Schuldspruchs angekündigt.
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