„Glaubwürdige“ Abrechnungen
Warum Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder im Sonderfonds-Prozess freigesprochen wurde. Trotz Zweifeln zu den Kompensationen.
Von Thomas Vikoler
Dass es sich um einen besonderen Fall handelt, zeigt sich an der Länge der Urteilsbegründung. Nicht weniger als sechzig Seiten benötigt der Richtersenat unter Vorsitz von Carlo Busato (Beisitzer: Ivan Perathoner und Stefan Tappeiner), um die Gründe aufzuführen, warum sie am 11. Juni einen besonderen Angeklagten freisprachen: Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder.
Die Staatsanwaltschaft hatte dem langjährigen Regierungschef die Unterschlagung von mehreren hunderttausend Euro aus dem ihm zugedachten Sonderfonds vorgeworfen und drei Jahre Haft beantragt.
Um es kurz zu sagen: Für die Richter fehlt jeglicher Vorsatz Durnwalders, sich rechtswidrig öffentliches Geld anzueignen. Sie kommen zwar zum Schluss, dass die Kompensation von öffentlichen Ausgaben und privaten Spesen „objektiv“ eine Unterschlagung darstellen könnte – deshalb erfolgte der Freispruch mit der Zweifelsformel nach Artikel 530, Absatz zwei -, entscheidend war hier aber ein Punkt: Der Landeshauptmann hatte, wie seine beiden Sekretärinnen Martina Graf und Rosmarie Knoll vor Gericht aussagten, über seine Ausgaben penibel Buch geführt.
Die allmonatlichen Abrechnungen sind es letztlich, die Durnwalder vor einem Schuldspruch bewahrt haben. Denn diese halten die Richter – obwohl häufig nicht belegt – für glaubwürdig. Etwa die Trinkgelder für die Servierkräfte bei Empfängen in der Laimburg. Die Zeugen hätten schlüssig bestätigt, das Geld erhalten zu haben. „Es handelt sich unbestrittene und unanfechtbare Daten“, finden die Richter und zitieren zustimmend Durnwalders Aussagen über die Natur der Laimburg-Empfänge: Repräsentationsevents um den Ruf des Landes Südtirols zu mehren.
Zu den sogenannten Spenden des Landeshauptmannes an Musikkapellen und Chöre habe es die Anklage hingegen verabsäumt, Beweise zu liefern, dass die Ausgaben nicht für den erklärten Zweck getätigt wurden.
Die Anklage des damaligen Oberstaatsanwalts Guido Rispoli fußte juristisch auf einem Urteil der Kassation aus dem Jahre 2012, mit dem zwei sizilianische Gouverneure rechtskräftig wegen Unterschlagung verurteilt wurden. Für den Bozner Richtersenat besteht inhaltlich hingegen ein „abgrundtiefer Unterschied“ zwischen jenem und dem Fall SoFo: Dort keinerlei Aufzeichnungen über die getätigten Ausgaben, hier eine „minuziöse“ und „transparente“ Abrechnung mit Selbsterklärung von „erhöhter Glaubwürdigkeit“. „Man darf das Delikt nicht mit dem Beweis verwechseln“, argumentieren die Bozner Richter im Sinne des Angeklagten und fügen hinzu: Ein Gesetzesbrecher vermeide es normalerweise, seine Taten zu dokumentieren.
Breiter Raum wird in der Urteilsbegründung dem Zeugenauftritt von Ex-Oberstaatsanwalt Cuno Tarfusser gewidmet, einem wichtigen Entlastungszeugen.
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