Verrückt nach Leben
In „La pazza gioia“ erzählt Paolo Virzì vom Verrückt-Sein, von Lebensfreude, Lebensleid und Menschlichkeit.
von Renate Mumelter
Die Melodie von Gino Paolis „Senza fine“ begleitet aus dem Kinosaal und klingt nach, sie umarmt sanft schaukelnd, leicht schwingt der Film. Erstaunlich, denn es geht um ein Thema, das den meisten Angst macht, obwohl es das Normalste auf der Welt ist, um psychische Störung, um Depression.
Virzì erzählt von Beatrice und Donatella, die eine blond, die andere dunkel. Sie treffen in einer Comunità, einer Einrichtung für psychsich kranke Menschen, aufeinander. Warum die beiden hier leben, ist zunächst unklar. Beatrice tut so als wäre sie das blühende Leben. Diese redselige, gut ausehende Frau scheint aus sehr gutem Hause zu kommen. Eine Glanzrolle für Valeria Bruni Tedeschi, jene Darstellerin und Regisseurin, die auch im wirklichen Leben aus gutem Hause kommt.
Mit Beatrice unterwegs ist die schweigsame Donatella, mager, verstört. Sie trägt die Spuren ihres Leidens als Narben und als Tattoos auf dem Körper. Die zwei befreunden sich und hauen ab, machen sich auf die Suche nach Freiheit und Leben, getrieben von ihrer Not, ihren Süchten und von Lieblosigkeit, einer der Wurzeln ihres Leidens. Sie haben sich nicht in ihr Schicksal ergeben, sie wollen etwas. Donatella will ihren geliebten Sohn Elia sehen, Beatrice will geliebt werden und endlich nicht mehr weinen müssen.
Die Geschichten der zwei Frauen bekommen Kontur, die Situation wird klarer, der Film schmerzhafter, emotional anspruchsvoller, auch im Kinosaal. Virzì hat die Story gut gebaut, ohne in die zahllosen Fallen zu tappen, die Psychodramen auflauern. Valeria Bruni Tedeschi und Micaela Ramazotti sind ein umwerfendes ungleiches Paar, das man lieb gewinnen muss. Dass die beiden schlussendlich auch auf Menschlichkeit treffen, ist erleichternd.
Ganz nebenbei liefert Virzì eine Hommàge an Ridley Scotts „Thelma und Louise“ (1991), jenen legendären Film vom kompromisslosen Aufbruch zweier Frauen in ihre Freiheit.
La pazza gioia (I, 2016), 116 Min., Regie: Paolo Virzì. Bewertung: Sehenswert
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