Spiel mit dem Feuer
Der Fall Massimo Pugliese/Solland Silicon liegt jetzt bei der Staatsanwaltschaft. Eine Beschlagnahme des Sinichner Betriebes aus Sicherheitsgründen und ein Konkurs werden immer wahrscheinlicher. Die Hintergründe.
von Artur Oberhofer
Arnold Schuler verliert allmählich die Geduld: „Die derzeitige Situation kann und darf nicht zu einem Dauerzustand werden“, so der Landesrat. Man müsse rasch eine Lösung finden.
Schuler hat im Fall Solland Silicon nicht nur die volle Rückendeckung des Landeshauptmannes. Es war Arno Kompatscher selbst, der die heiße Kartoffel vor wenigen Wochen an das Regierungskommissariat und an die Staatsanwaltschaft in Bozen weitergereicht hat. Kompatscher sagt gegenüber der TAGESZEITUNG: „Die Sicherheit für die Bevölkerung ist gewährleistet, die Hinhaltetaktik des Herrn Pugliese können wir aber nicht länger akzeptieren.“
Und Kompatscher legt noch einen Scheit nach: „Wir lassen uns vom Herrn Pugliese nicht mehr pflanzen.“
Im Fall Pugliese/Solland Silicon läuft es jetzt auf den großen Showdown hinaus. Die Landesregierung hat endgültig das Vertrauen in den kampanischen Unternehmer Massimo Pugliese verloren. Nun soll es die Staatsanwaltschaft richten.
Nach Informationen der TAGESZEITUNG werden eine Beschlagnahme des Solland Silicon-Werkes in Sinich aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und ein Konkurs immer wahrscheinlicher.
Es scheint genau das einzutreten, was Insider bereits vor Monaten prophezeit hatten: Massimo Pugliese tut genau das, was er bereits in der Vergangenheit gemacht hat: Er kauft schwächelnde oder marode Betriebe auf, verleibt diese in ausländische Gesellschaften ein. Er versucht, öffentliche Beiträge zu lukrieren (was ihm mit der Südtiroler Landesregierung nicht geglückt hat). Er bezahlt die Mitarbeiter nicht – und lässt das Unternehmen ausbluten.
Die Solland Silicon GmbH hat ein Gesellschaftskapital von 10.000 Euro und gehört zu 100 Prozent der niederländischen Pufin Power Holland BV mit Sitz in Maastricht. Das holländische Unternehmen mit einem Gesellschaftskapital von 10.000 Euro gehört der Pufin AG des Massimo Pugliese mit Sitz in Avellino.
Groß und kühn waren die Versprechen des Herrn Pugliese.
Die Pufin-Gruppe wollte über eine Unternehmenstochter – die Solland Solar – im September vergangenen Jahres mit der Fertigung von Photovoltaikzellen in Sinich starten.
Massimo Pugliese stellte im Vorjahr stolz ein Lieferabkommen mit dem chinesischen Marktführer von Photovoltaik-Modulen, Trina Solar, vor. Er wollte 5000 Tonnen Silizium im Jahr zu Solarzellen weiterverarbeiten lassen..
Es kam nicht dazu: Die Solland Solar hat im September 2015 Konkurs anmelden müssen.
Mit dem Konkurs der Solland Solar hat Massimo Pugliese, der 2012 von Ex-Minister Gianfranco Rotondi und von Ex-Unterstaatssekretär Carlo Giovanardi in Saint Vincent zum Unternehmer des Jahres gekürt worden war („weil er die Exzellenz der italienischen Industrie in der Welt repräsentiert“) ein weiteres Firmengrab geschaufelt.
Die unternehmerische Laufbahn des Massimo Pugliese ist gepflastert mit Konkursen. So fuhr er den Fußballclub Avellino Calcio, dem er vier Jahre lang vorstand, an die Wand. Ein weiterer Aufsehen erregender Konkurs war jener des Elektronikunternehmens Ixfin AG in Caserta.
Bei diesem Konkurs sollen 20 Millionen Euro an öffentlichen Zuwendungen auf Nimmerwiedersehen versickert sein.
Auch die Justiz hat sich bereits mit dem Mann aus Kampanien beschäftigt.
Massimo Pugliese wurde 2011 in Ivrea wegen betrügerischen Konkurses eines Olivetti-Nachfolgebetriebes zur fünf Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Das Curriculum Vitae des Massimo Pugliese ließ von Beginn an nichts Gutes (für Solland Silicon) erahnen. Es ist denn auch verwunderlich, dass es immer noch Gewerkschaftsvertreter gibt, die in dem Mann aus Kampanien den großen Retter sehen.
In den vergangenen Wochen könnte Massimo Pugliese den Bogen endgülitg überspannt, den berühmten Schritt zu weit gegangen sein.
Ein hochrangiger Beamter des Landes sagt im Hintergrundgespräch: „Der Herr Pugliese spielt jetzt mit der Sicherheit, diesem Spiel können wir auch aus Gründen der öffentlichen Sicherheit nicht tatenlos zusehen.“
Was war geschehen?
In den vergangenen Wochen hatte es im Sinichner Chemiewerk mehrere rätselhafte Vorfälle gegeben. So wurde Ende Mai im Solland-Silicon-Werk ein Wasserstoff-Austritt registriert. Weder Landeszivilschutz noch die Feuerwehr Meran wurden benachrichtigt – was zu großen Irritationen führte.
Noch schlimmer: Massimo Pugliese ist offensichtlich nicht mehr in der Lage, für die Sicherheit im Werk zu garantieren – was den Betrieb zu einem Sicherheitsrisiko macht.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass im Sinichner Siliziumwerk hochgefährliche Stoffe lagern. Massimo Pugliese bezahlt nicht nur jene speziell ausgebildeten Techniker nicht, die rund um die Uhr über die Sicherheit wachen.
In dem Chemieerk müssen rund um die Uhr, in Turnussen, immer fünf Sicherheitstechniker zugegen sein.
Diese Sicherheitstechniker sehen seit Monaten kein Geld.
Mehr noch: Der 2012 als Unternehmer des Jahres gefeierte Massimo Pugliese hat weder die Stromrechnungen gezahlt noch den Zulieferer von Stickstoff. Stickstoff ist für die Wartung bzw. Sicherheitstechnik notwendig. Stickstoff wird beispielsweise für die Reinigung von Leitungen verwendet.
Weil Massimo Pugliese die Strom- und Stickstoffrechnungen nicht bezahlt hat, musste Landeshauptmann Arno Kompatscher die Alperia und die Firma, die den Stickstoff anliefert, vor wenigen Wochen von Amts wegen dazu verpflichten, Strom und Stickstoff an Solland Silicon zu liefern.
Nur um einen Eindruck zu gewinnen: Solland Silicon braucht mehr Strom als die Landeshauptstadt Bozen.
Ohne Strom und ohne Stickstoff kann die Sicherheit im Werk nicht gewährleistet werden.
In den vergangenen Monaten hatte Massimo Pugliese immer wieder chinesische Unternehmer ins Spiel gebracht, die in sein Unternehmen einsteigen wollten. Diesbezüglich heißt es beim Land: „Es gibt Interessenten, aber es ist nicht anzunehmen, dass die Chinesen den Betrieb in dieser Situation und mit dem ganzen Rattenschwanz an Problemen, die daran hängen, kaufen.“
Das viel wahrscheinlichere Szenario: Die Chinesen warten, bis die Staatsanwaltschaft den Betrieb in Konkurs schickt – und kaufen das Unternehmen in einem zweiten Moment aus der Konkursmasse heraus.
Eines ist klar: In Massimo Pugliese sehen die Verantwortlichen in der Landesregierung keinen Partner mehr.
Und sein Spiel mit der Sicherheit und dem Feuer könnte böse enden. Für ihn.
Der Vorschlag von Merans Bürgermeister Paul Rösch, Solland Silicon einfach zuzusperren, findet in der Landesregierung keine Befürworter. „Das ist eine naive Vorstellung“, heißt es aus dem Umfeld des Landeshauptmannes.
Eine Schließung würde bedeuten: Die Landesregierung zahlt Millionen für das Herunterfahren des Betriebes. Die Rede ist von Kosten in Höhe von 10 Millionen Euro. Und das Herunterfahren würde zwei Jahre dauern! „Und dann“, so ein Mitglied der Landesregierung, „hätte wir eine Industrieruine stehen.“
Eine Betriebsschließung sei auch deswegen nicht sinnvoll, weil es sich bei Solland Silicon um einen hochmodernen Betrieb handle, in den viel Geld investiert worden sei und dessen Produkte sehr wohl eine Zukunft und einen Markt hätten.
Die Politik wartet jetzt auf die nächsten Schritte der Staatsanwaltschaft.
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