Illegaler Gastbetrieb?
Seit 20 Jahren streiten die Gemeinde Kaltern und der Eigentümer um einen Schankbetrieb mit Zugang zum Kalterer See, den es eigentlich nicht geben dürfte.
von Franz Ferdinand Willeit
Ein Rechtsstreit, der sich über mehrere Jahrzehnte hinzieht, ist auch in Südtirol nicht unüblich – in diesem Fall aber seltsam: Seit dem Jahre 1996 rankt sich ein solcher Streit um eine Immobilie direkt am Ufer des Kalterer Sees. Seit 20 Jahren sind Gemeinde und Land von deren Eigentümerin, die Goldgassen OHG, in mehrere Gerichtsverfahren verwickelt.
Gegenstand des Streits ist eine simple aber anscheinend doch komplizierte Frage: Darf der „Ferienclub Kalterersee“, Gäste bewirten oder nicht?
Ja, findet Leander Morandell, Betreiber des familieneigenen Hotels „Haus am Hang“ und des Ferienclubs: „Es wurde alles verdreht“. Während der Ferienclub Eigentum der Goldgassen OHG sei, sei die Liegewiese im Besitz der Familie Morandell. „Das ist meine private Wiese. Hier darf sich aufhalten, wen ich einlade“, rechtfertigt sich der Hotelier. Demgegenüber sei der „Ferienclub Kalterersee“ eine sogenannte Vereinswirtschaft ohne Gewinnabsichten und benötige deshalb keine Betriebsgenehmigung. Die Mitglieder dieses Freizeitgestaltungsvereins dürften sich auf dem Grund aufhalten und die angebotenen Dienstleitungen nutzen, behauptet Morandell.
Das Bozner Verwaltungsgericht und der Staatsrat sehen das anders. Bislang hat die Goldgassen OHG lediglich ein einziges Verfahren gewonnen – wegen es eines Formfehlers. Alle anderen Rekurse der Goldgassen OHG wurden von den zuständigen Gerichten abgewiesen.
Nach einer Reihe von Urteilen, Verordnungen und Beschlüssen fällte der Staatsrat in Rom im Jahre 2012 ein erstes letztinstanzliches Urteil, indem er alle Einsprüche des gesetzlichen Eigentümers zurückwies. Demnach ist die Zweckbestimmung des Ferienclubs keineswegs diejenige eines Gastbetriebes, wie von der Goldgassen OHG behauptet, sondern eines Wohnhauses. Die Ausnahme bilden zwei Doppelbettzimmer, die als Privatzimmer vermietet werden dürfen.
In anderen Worten: Rein urbanistisch darf es auf der Bauparzelle keinen Schankbetrieb geben.
Konsequenterweise wurden nach dem Urteil des Staatsrates mehrere teils zuvor auf Eis gelegte Verfahren vom Bozner Verwaltungsgericht wieder aufgenommen – und in einem einzigen Urteil 2014 zur Entscheidung gebracht: Alle Rekurse der Goldgassen OHG abgelehnt. Folgerichtig hätte der Gastbetrieb eingestellt werden müssen, denn der Staatsrat lehnte eine einstweilige Aussetzung des Urteils ab.
Die Gemeinde Kaltern wurde damit gerichtlich verpflichtet, das Urteil des Verwaltungsgerichts aus dem Jahre 2014 umzusetzen. Dann passierte erst einmal gar nichts. Die Gemeinde ließ sich zwei Jahre Zeit, bis sie den Ferienclub schriftlich aufforderte, die Gastwirtschaft einzustellen.
Weil sich der zuständige Gemeindereferent Sighard Rainer aus Verwandtschaftsgründen für befangen erklärte, unterzeichnete Bürgermeisterin Gertrud Benin am 19. Juli dieses Jahres die Schließungsverordnung. Inhalt: „Die sofortige Schließung der Vereinswirtschaft und des Badebetriebs am See“. Die Verwaltungsstrafe: 913 Euro.
Die Gemeinde Kaltern kommt also – mit reichlicher Verspätung – zum Schluss, dass auch für den Betrieb des Ferienclubs und der Liegewiese eine Lizenz notwendig ist.
„Die Gemeinde hat nach einem Lokalaugenschein festgestellt, dass eine Tätigkeit im Rahmen des Gastgewerbegesetzes ohne vorgeschriebene Lizenz ausübt und daraufhin mit Anordnung die sofortige Schließung jeglicher Tätigkeit angeordnet“, begründet die Bürgermeisterin den Schritt.
In der Zwischenzeit laufen der Gast- und der Badebetrieb laut Informationen der TAGESZEITUNG weiter. „Ich habe das Recht, unsere Hausgäste auf die Liegewiese zu schicken“, entgegnet Betriebsinhaber Leander Morandell: „Wir haben unseren privaten Zugang zum See.“ Zudem werde die Wiese aufgrund ihrer Größe oft im „öffentlichen Interesse“ genutzt. „Nach Anfragen haben wir über den lizensierten Cateringservice des Haus am Hang sogar die Euregio-Alps-Radtour 2016 verköstigt“, erinnert Morandell. Während er auf das zweite Urteil des Staatsrates wartet, werde bereits der Rekurs gegen die letzte Anordnung der Gemeinde vorbereitet, verkündet der Betriebsinhaber.
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