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„Alles ist in der Luft“

Ab 1. Jänner sind die Carabinieri für Umwelt-Kontrollen im ländlichen Raum zuständig. Mauro Pianaro, Präsident der Interessensgemeinschaft des Landesforstkorps, befürchtet eine Entmachtung der Förster.

TAGESZEITUNG: Herr Pianaro, das Gesetz zur „Neuordnung der öffentlichen Verwaltungen“ betrifft auch die Förster. Welche Änderungen bahnen sich an?

Mauro Pianaro: Ab 1. Jänner sind die Carabinieri für die Lebensmittelkontrollen, für Umwelt, Natur und Bauten die Bezugsbehörden in ganz Italien. Sie übernehmen die Kontrollen im ländlichen Raum.

Welche Änderungen ergeben sich für die Förster?

Jetzt ist zu sehen, inwieweit sich die Carabinieri auch in Südtirol aus dem Fenster lehnen. In manchen Gemeinden sind sie jetzt schon in diesem Bereich tätig. Im Rahmen dieser Rationalisierung kann es dazu kommen, dass wir gewisse Tätigkeiten nicht mehr ausüben und nur mehr Verwaltungsaufgaben durchführen dürfen. Es könnte sein, dass uns die Kontrollen entzogen werden, es könnte aber auch sein, dass wir längerfristig von den Carabinieri übernommen werden. Zur Zeit ist das nicht vorgesehen, die Gesetzesentwürfe, die es dazu gab, wurden wieder verworfen. Alles ist in der Luft.

Werden die Forstbeamten entmachtet?

Das weiß niemand, es herrscht große Unsicherheit. Zwar gibt es einen Passus im Gesetz, der uns schützt, aber sehr viel wird vom Referendum im Herbst abhängig sein. Fakt ist, dass die Carabinieri die Materie Umwelt auf nationaler Ebene übernehmen. Ob sie uns dann noch für alle jetzigen Dienste delegieren und Konventionen abgeschlossen werden, wie es bislang war, weiß niemand. Die autonomen Provinzen Italiens haben sich dazu schon öfters getroffen, etwa im Mai auf dem Latemar. Dort haben wir Strategien besprochen. Wir sind überzeugt, dass unser Berufsbild das richtige ist. Unsere Aufgabenbereiche bestehen aus einer guten Mischung aus technischen und Kontrollaufgaben.

Im Unterschied zu den Carabinieri?

Bei den Carabinieri besteht die Aufgabe nur in der Kontrolle. Wir sind aber überzeugt, dass die technischen Aufgaben genauso wichtig sind, weil man vorbeugend und präventiv wirken kann. Wir setzen sehr auf Prävention und den Kontakt mit den Bürgern im ländlichen Raum. Eine gewisse Anzahl an Übertretungen wird es immer geben – wo es keine gibt, werden sie nur nicht zur Anzeige gebracht. Auch in Südtirol werden wir unser Vorgehen harmonisieren müssen, denn je nach Ortschaft wird in verschiedenen Bereichen unterschiedlich vorgegangen. Wir sind der Meinung, dass wir weiterhin die Kontrollen vornehmen sollten, weil sich das System bewährt hat.

Was sind die größten Befürchtungen?

Es ist bekannt, dass die Carabinieri eigene Einheiten für die neuen Aufgabenbereiche in Umwelt und Bauten im geschützten Gebiet schaffen. Sie werden dann nur mehr repressiv vorgehen und die Vorbeugung in den Hintergrund stellen. Vor allem die technischen Kenntnisse bei den Carabinieri sind beschränkt. Daher glauben wir, dass eine Änderung nicht vorteilhaft wäre.

Entscheidungen ohne Hausverstand?

Ein Polizeiorgan muss Straftaten finden und zur Anzeige bringen. Ob es sich dann aber auch wirklich um eine Straftat handelt, ist zweitrangig – viele Anzeigen werden archiviert, auch zu Recht. Wer nur repressiv vorgeht, macht eine einseitige Arbeit. Die Staatsanwaltschaft wird dann mit vielen zusätzlichen Anzeigen konfrontiert, was das dortige Arbeiten erschwert. Durch eine rein repressive Tätigkeit entstehen nur Nachteile.

Eine Reduzierung der Forststationen ist nicht geplant?

Nein. Durch die Intervention von Senator Karl Zeller wurde die sogenannte „clausola di salvaguardia“ eingeführt, die beinhält, dass unsere Funktionen aufrecht bleiben. Über das Land, dem wir unterstellt sind, wurde festgestellt, dass wir für die Arbeiten, die wir leisten, unterbesetzt sind. Daher wird die Anzahl unserer Mitarbeiter sicher nicht reduziert.

Gab es Interventionen ihrerseits?

Wir haben beim Landeshauptmann interveniert und sind auch nach Rom zu Minister Letta gefahren. Seitdem ist das Madia-Dekret aber unauffindbar, weil es gerade „in Bearbeitung“ ist. Niemand weiß, was das Dekret beinhält, daher weiß auch niemand, wie es weitergeht. Wir hoffen auf eine gute Zusammenarbeit mit den Carabinieri und dass wir auch in Zukunft unsere Arbeit machen können.

Interview: Erna Egger

 

Der Anlass

Das Staatsgesetz zur „Übertragung von Befugnissen an die Regierung im Bereich Neuordnung der öffentlichen Verwaltungen“ vom 7. August 2015 sorgt bei den Forstkorps für große Unsicherheit. Ab 1. Jänner werden Bereiche des Umweltschutzes, des Territoriums und des Meeres sowie im Bereich der Sicherheit und Kontrollen in der Ernährungswirtschaft den Carabinieri übertragen. Im Gesetz heißt es: „In den Regionen mit Sonderstatut und in den Autonomen Provinzen Trient und Bozen bleiben sämtliche Zuständigkeiten des Regionalforstkorps und des Landesforstkorps, auch mit Hinblick auf die Befugnisse im Bereich der öffentlichen Sicherheit und die Polizeibefugnis gemäß den geltenden einschlägigen Bestimmungen aufrecht, vorbehaltlich der unterschiedlichen organisatorischen Bestimmungen, die mit Durchführungsbestimmungen zu den Sonderstatuten erlassen werden und die jedenfalls auf nationaler Ebene die Koordinierung der Polizeibefugnisse im Bereich des Schutzes der Umwelt, des Territoriums und des Meeres sowie im Bereich der Sicherheit und Kontrollen in der Ernährungswirtschaft gewährleisten.“ Die genauen zukünftigen Befugnisse der Förster sind nicht abgesteckt.

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