Die Burkini-Befreier
Die Grünen-Abgeordnete Brigitte Foppa sagt in der Burkini-Debatte: Das einzig rational Richtige sei, dass muslimische Frauen für sich entscheiden, was für sie richtig ist.
Brigitte Foppa hat sich Gedanken zum Burkini-Verbot gemacht.
Sie findet unter anderem:
Das einzig rational Richtige sei, dass muslimische Frauen für sich entscheiden, was für sie richtig ist.
Die Grünen-Abgeordneten schreibt:
„In die Debatte zum Burkini möchte ich ein paar sehr nüchterne Überlegungen einbringen. Die Debatte ist deshalb so komplex, weil sich hier mehrere Argumentations- und Machtlinien überschneiden, darunter jene des Christentums gegenüber dem Islam und jene, die zwischen Männern und Frauen verläuft.
Wir alle sind sicher einig, dass nicht richtig sein kann, wenn:
Männer entscheiden, was für Frauen richtig ist (und umgekehrt)
Christen entscheiden, was für Muslimen richtig ist (und umgekehrt).
Schwieriger wird es, wenn sich eben diese Linien überschneiden.
Aber wenn wir auch dies entwirren, werden wir alle einig sein, dass es niemals richtig sein kann, wenn:
christliche Männer entscheiden, was für muslimische Frauen richtig ist (und umgekehrt?;
muslimische Männer entscheiden, was für muslimische Frauen richtig ist (und umgekehrt?);
christliche Frauen entscheiden, was für muslimische Frauen richtig ist (und umgekehrt?).
Erste Schlussfolgerung:
Das einzig rational Richtige ist, dass muslimische Frauen für sich entscheiden, was für sie richtig ist. Alles andere, wiewohl oft gut gemeint, widerspricht jeder Menschenrechtslogik.
Zweite Schussfolgerung: Unser aller Auftrag muss also sein, diese freie Entscheidung zu gewährleisten, zu unterstützen, zu fördern. In all den Debatten habe ich diesen Aspekt sehr selten gesehen. Meist überwiegt indes ein neopaternalistischer Ansatz, der zuerst entscheidet (auch als Staat, als Institution, als Gesellschaft), was für die muslimischen Frauen das Richtige ist, und dann die nötigen Maßnahmen trifft. Darauf fallen durchaus auch Frauen hinein, oft auch in einer solidarischen und schwesterlichen Absicht.
Dritte Schlussfolgerung bzw. Frage und einziges wirkliches Problem in dieser Sache:
Wie frei entscheiden muslimische Frauen, was für sie das Richtige ist?
Wir können diese Frage nur beantworten, indem wir muslimische Frauen dazu befragen, möglichst vielfältig, möglichst auch gegensätzlich, in möglichst neugieriger und lösungsorientierter Haltung.
Wir werden ein Universum entdecken, mit vielen Fassetten. Frauen werden uns von Muslimas erzählen, die sich aus freien Stücken für eine Verhüllung entscheiden, weil sie damit ein Stück weit ihre kulturelle Herkunft bejahen.
Oder von anderen Frauen, die sich von ihrer Herkunft gelöst haben und sich für eine westliche Kleiderregelung entschieden haben.
Und sie werden von unterdrückten Muslimas berichten, die von ihren Männern in eine Kleiderordnung gezwungen werden, die sie selbst nicht wollen und die sie in der westlichen Gesellschaft identifiziert und segregiert. Diese Frauen brauchen Unterstützung in ihren Emanzipationsnotwendigkeiten, die sich aus den westlichen Gegebenheiten ergeben. Zu diesen Unterstützungsmaßnahmen gibt es viele Beispiele, von der aufsuchenden Elternarbeit der Schule bis hin zu Fahrrad- und Computerkursen, von interkultureller Frauenarbeit bis hin zu einfühlsamer medizinischer Versorgung.
Zu diesen Maßnahmen gehören nicht öffentlich verordnete Kleiderregelungen. Wer immer sich anmaßt, muslimische Frauen zu “befreien”, etwa vom “Burkini”, sollte sich vor Augen halten, dass ihnen wahrscheinlich ein Schwimmbadbesuch unmöglich gemacht wird, wenn sie sich nicht verhüllen. Das ist die praktische Realität und schon rein das spricht für eine freie Kleiderwahl – und sei es auch nur dazu, diesen Frauen den Gang aus dem Haus zu erleichtern.
Dass auch die westliche Kleiderordnung ihre, vielleicht subtileren, Zwänge hat, darauf werde ich hier nicht eingehen. Ebenso wenig darauf, wie absurd es mir scheint, die (minimalen oder maximalen) Quadratzentimeter Stoff für Frauen festzulegen, wenn sie an den Strand gehen.
Es ist bemerkenswert, dass die Freiheit, Emanzipation und Selbstbestimmung der Frauen nun so Vielen am Herzen liegt. Auf die gemeinsame Analyse dessen, was Frauen dazu brauchen, bin ich sehr gespannt – auch darauf, wie sehr das dann respektiert wird, was Frauen als Bedürfnisse und Bedingungen anmelden werden.
Insbesondere, wenn das dann mit den eigenen (männlichen, christlichen, dominanten) Rollenbildern und Machtverständnissen auch einmal nicht überein stimmt.
Dann werden wir schnell erkennen, ob es den „Befreiern“ wirklich um die Frauen geht oder vielleicht am Ende doch mehr um die Bestätigung des eigenen Weltbildes und der eigenen Vormachtstellung.“
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