„Erdogan ist mir zuwider“
EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann spricht sich gegen eine Weiterführung der Beitrittsgespräche mit der Türkei aus – und erklärt, warum er derzeit nicht nach Ankara fahren würde.
TAGESZEITUNG: Herr Dorfmann, soll die EU die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abbrechen, wie vor allem von österreichischer Seite gefordert wird?
Herbert Dorfmann: Zu diesem Zeitpunkt kommt die Weiterführung der Beitrittsgespräche nicht in Frage. In einer Zeit, in der die Türkei über die Wiedereinführung der Todesstrafe nachdenkt und das, was wir europäische Grundrechte nennen, mit Füßen tritt, nützt es nichts, über einen Beitritt auch nur zu reden. Müssten wir im EU-Parlament darüber abstimmen, kann ich mir lebhaft vorstellen, wie das ausgehen würde.
Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern und Außenminister Sebastian Kurz sagen: Ohne die Möglichkeit eines Beitritts kann man die Gespräche auch gleich abbrechen.
In dieser Frage gebe ich ihnen weitgehend Recht. Wäre die Türkei überhaupt an einem Beitritt interessiert, würde sie sich aber ohnehin vollkommen anders verhalten. Dieses Interesse fehlt schon seit Jahren. Persönlich war ich auch immer ein Gegner eines EU-Beitritts der Türkei – in den aktuellen Entwicklungen sehe ich mich darin bestätigt.
In Ankara hat man auf die Abbruch-Forderungen ziemlich verschnupft reagiert. Warum?
Man will sich als große Supermacht darstellen – mit einem noch viel größerem Präsidenten, der sich von niemandem etwas sagen lässt. Erdogan versucht ziemlich krampfhaft das Image eines übermächtigen Präsidenten zu prägen, der jedem sagt, wie die Dinge zu laufen haben. In dieses Bild passt die ablehnende Haltung der EU nur schlecht hinein.
Ihr Parlamentskollege Othmar Karas forderte die Eröffnung weiterer Verhandlungskapitel in Sachen Demokratie und Pressefreiheit, weil die EU für die Türkei „derzeit das einzige Korrektiv“ sei. An dieser Argumentation ist nichts dran?
Ich habe nicht den Eindruck, dass wir derzeit ein großes Korrektiv sind – der türkische Präsident tut so ziemlich, was er will. Trotzdem ist die Türkei ein Mitglied der NATO und deswegen mit der westlichen Welt verbunden. Es bringt also nichts, die Konfrontation zu suchen. Zwischen Zusammenarbeit und EU-Mitgliedschaft ist mittlerweile aber sehr viel Raum.
Ist die Allianz zwischen Putin und Erdogan eine Gefahr für Europa?
Gut ist es sicher nicht. Ich stelle eine immer deutlicher werdende „Putinisierung“ der Politik fest, nicht nur in Russland, auch in Ländern innerhalb der Europäischen Union. Das Modell eines starken, autokratischen Präsidenten mit einem schwachen Parlament greift in der Welt um sich – auch in den Vereinigten Staaten und Südamerika. Als EU versuchen wir ein anderes Modell zu verkaufen.
Zum Höhepunkt der Euro-Krise haben Sie in Griechenland Urlaub gemacht. Heuer schon an eine Türkei-Reise gedacht?
(lacht) Nein, heuer war ich in Kalifornien.
Trump statt Erdogan?
Nein, das hat eher damit zu tun, wo unsere Jungs hinwollen. Aber offen gesagt würde ich derzeit wirklich nicht in die Türkei fahren, dieses ganze Getue von Herrn Erdogan ist mir höchst zuwider. Das ist die typische Reaktion eines Präsidenten, der in seinem eigenen Land Probleme hat und sich deswegen übertrieben nationalistisch gibt – deswegen kann er sich von mir aus gern mit Putin verbrüdern. Für mich ist das ekelhafte Politik, weswegen ich auch nicht wüsste, was ich momentan in Ankara zu suchen hätte.
Interview: Anton Rainer
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