Generation Nullzins
Die Raika Unterland hat die Zinsen auf Kontokorrente auf 0,0 Prozent gesenkt. Dies könnte in Südtirol nur der Anfang sein.
von Heinrich Schwarz
Viele Kleinsparer ahnen Schlimmes: Künftig könnten sie für das in der Bank geparkte Geld keine Zinsen mehr erhalten.
Den Anfang unter den drei großen Südtiroler Bankhäusern – Raiffeisen, Volksbank und Sparkasse – hat die Raika Unterland gemacht. Sie hat die Habenzinsen auf Kontokorrente auf 0,0 Prozent herabgesetzt.
„Natürlich ist dies eine sehr emotionale Geschichte. Wir können verstehen, dass viele Kunden kein Verständnis für diesen Schritt haben. Schließlich handelt es sich um eine neue Situation, nachdem es in Italien eine lange Phase mit sehr hohen Zinsen gab. Ich denke aber, dass unsere Maßnahme rein sachlich gesehen mehr als gerechtfertigt ist“, erklärt Franz-Josef Mayrhofer, Direktor der Raika Unterland, und verweist auf die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).
Seit März 2016 liegt der Leitzins der EZB bei null Prozent. Der Einlagenzins wurde im Frühjahr auf minus 0,4 Prozent herabgesetzt. Das heißt: Geschäftsbanken, die Geld bei der EZB parken, müssen Strafzinsen zahlen. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Nullzinspolitik auch bei den Südtiroler Kunden ankommt. In anderen Ländern ist sie schon seit längerem Realität“, so Mayrhofer.
„Man muss das Ganze aber auch in Relation zur Inflationsrate sehen“, betont der Raika-Direktor. Er erklärt: „Die Inflation liegt heute praktisch bei Null. Bei einer Nullverzinsung bleibt also die Kaufkraft einigermaßen erhalten. Wenn wir 20 Jahre zurückdenken, gab es eine Inflation von zwölf Prozent bei zehn Prozent Zinsen – und somit einen realen Kaufkraftverlust für die Sparer.“
Eine Zehn oder auch nur eine Eins liest sich im Grunde aber besser als eine Null. Das weiß auch Franz-Josef Mayrhofer: „In Zeiten wie diesen sind die Sparer schon zu bedauern. Aber auch für die Banken ist es nicht lustig. Diese Entwicklung hat hoffentlich bald ein Ende.“
Beim Raiffeisenverband in Bozen ist man nicht gut auf die marktbedingte Zinspolitik der EZB zu sprechen. „Sie ist eine Katastrophe für die Banken. Je mehr die EZB den Markt mit Geld flutet, desto tiefer sinkt das Zinsniveau. Es ist ein einfaches volkswirtschaftliches Prinzip: Je größer das Angebot und je geringer die Nachfrage, desto mehr sinken die Preise“, erklärt Andreas Mair am Tinkhof, Leiter der Abteilung Bankwirtschaft im Raiffeisenverband.
Er geht davon aus, dass sich an der negativen Zinsentwicklung so schnell nichts ändern wird. Demnach könnten schon bald die nächsten Banken ihre Habenzinsen auf Null senken.
Auch Stefan Schmidhammer, Vizegeneraldirektor der Südtirol Volksbank, glaubt an keine rasche Trendwende: „Die Vorschauen, die uns vorliegen, sprechen von keiner positiven Entwicklung, sodass wir kurzfristig auf dem derzeitigen Niveau bleiben werden. Unsere Kontokorrent-Zinsen liegen zwar nicht bei Null, befinden sich aber auch auf einem tiefen Niveau.“ Viele Positionen würden nur noch mit 0,05 Prozent verzinst.
Und auch die Südtiroler Sparkasse kann derzeit nicht mit hohen Renditen werben. Dass die Kontokorrent-Zinsen noch weiter in Richtung Null gehen, schließt man nicht aus: „Wir analysieren derzeit sorgsam die Sachlage und prüfen auch diese Möglichkeit“, so Gianni Rossato, Verantwortlicher des Bereichs Private Banking und Wealth Management.
Ob die Südtiroler sogar damit rechnen müssen, bald Zinsen zahlen zu müssen, wenn sie ihr Geld auf einem Kontokorrent liegen haben?
„Wenn sie mich das vor zwei Jahren gefragt hätten, hätte ich mir das nicht vorstellen können. Heute kann ich es nicht mehr ausschließen“, sagt Franz-Josef Mayrhofer, Direktor der Raika Unterland. Andreas Mair am Tinkhof vom Raiffeisenverband schlägt in dieselbe Kerbe: „Dieses Szenario sollte tunlichst vermieden werden, aber wenn das Geld nichts mehr wert ist und die Banken die Kosten für den Geldeinkauf nicht mehr decken können, sind sie zu solchen Maßnahmen gezwungen. Ausschließen kann ich es also nicht.“
Bei der Volksbank denkt man nicht anders. Vizegeneraldirektor Stefan Schmidhammer: „Die Banken werden sich nach dem Markt richten. Ich kenne keine italienische Bank, die Negativzinsen berechnet, während es in Deutschland zum Teil bei Firmeneinlagen der Fall ist. Von der Schweiz reden wir erst gar nicht. Wenn Negativzinsen zum Überleben einer Bank notwendig sind, wird man sie einführen. Wir werden aber sicher die Letzten sein, die das tun. Ich denke zudem, dass es den Kleinsparer sowieso nicht treffen würde, sondern eher große Firmeneinlagen.“
In Italien und Südtirol sei das Thema derzeit nicht aktuell, meint der Sparkasse-Bereichschef Gianni Rossato.
Und was würde man einem Kunden sagen, der erklärt, er deponiere sein Geld lieber unter dem Kopfkissen als auf einem zinslosen Bankkonto?
Die Bänker sind sich einig: Erstens sei das Geld bei einer Bank sicher. Zweitens würde man das Geld – im Falle eines Massenphänomens – dem Wirtschaftskreislauf entziehen. Und drittens gebe es die Möglichkeit, auf andere Spar- und Anlageprodukte auszuweichen. „Ein Kontokorrent ist im Grunde kein Instrument, um Zinsen zu generieren, sondern ist dazu gedacht, den Zahlungsverkehr abzuwickeln und Liquidität sicherzustellen. Insofern ist ein Nullzins für die Sparer nicht weiter schlimm, denn sie können jenes Geld, das sie für einige Zeit entbehren können, in Produkte mit Verzinsung anlegen“, so Andreas Mair am Tinkhof.
Wer eine höhere Risikobereitschaft und einen längeren Anlagehorizont hat, so heißt es aus den Südtiroler Banken, könne ebenso in Fonds oder speziell in Aktienfonds investieren. Dafür sei aber eine bestimmte Kenntnis Voraussetzung. „Eine Diversifizierung in verschiedene Anlageprodukte ist zudem sinnvoll“, sagt Gianni Rossato.
„Aufgrund des heutigen Umfeldes“, meint der Unterlandler Raika-Direktor Franz-Josef Mayrhofer“, kann man sich keine Zinsen mehr erwarten, wenn man nicht bereit ist, ein gewisses Risiko einzugehen.“
Die Bänker betonen, dass die Niedrigzinspolitik auch gute Seiten hat: „Es war noch nie so günstig, einen Kredit aufzunehmen.“
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