„Der falsche Weg“
Der Leiter des Therapiezentrums Bad Bachgart, Helmut Zingerle, kritisiert die Bagatellisierungswelle in Bezug auf Cannabis. Und er erklärt, warum Heroin unter Jugendlichen eine Renaissance erlebt.
TAGESZEITUNG Online: Herr Dr. Zingerle, warum erlebt Heroin eine Renaissance als Jugend-Droge?
Helmut Zingerle: Ich muss vorausschicken, dass wir in unserem Haus keine Konsumenten illegaler Drogen behandeln. Aber ich denke, dass Heroin durch die neue Applikationsform …
… Heroin wird jetzt inhaliert bzw. geraucht …
… wieder „in“ geworden sein könnte. Die jungen Leute glauben, dass eine Droge, die man nicht spritzt, nicht gefährlich ist. Hinzu kommt: Über Heroin wurde lange Zeit nicht mehr geredet …
… deswegen gibt es weniger Berührungsängste?
Ja, Heroin ist wieder zu einer interessanten Substanz geworden, weil es billig ist und weil man es nicht spritzen muss. Es gibt leider viel Fehlinformation in diesem Bezug …
Die jungen Leute kennen nicht mehr abschreckende Beispiele wie Christiane F. und die Kinder vom berühmt-berüchtigten Bahnhof Zoo?
Richtig! Hinzu kommt: Wir erleben derzeit eine Bagatellisierungswelle – siehe Cannabis. Viele junge Menschen glauben, Drogen, die man raucht, seien nicht gefährlich. Da muss man keine Angst wegen HIV haben.
Sie haben keine Freude mit den Bestrebungen, Cannabis zu legalisieren?
Nein. Ich kann nur das bestätigen, was wir hier in unserem Haus erleben: Viele Leute, die wir in Bad Bachgart betreuen, sind ehemalige Cannabis-Konsumenten. Der Leidensgeschichte ist immer dieselbe: Sie haben ihre ursprünglichen Probleme zunächst mit Cannabis zugedeckt. Das Ergebnis war, dass sich später eine verstärkte Problematik ausgebildet hat.
Sie sind also strikt gegen eine Legalisierung dieser leichten Drogen?
Ich denke, man sollte sich andere Möglichkeiten der Entkriminalisierung überlegen. Sicher ist: Wenn wir Cannabis legalisieren, wird der Konsum gewaltig ansteigen – und wir werden dieselben Probleme bekommen wie mit dem Alkohol …
Nämlich?
Wir haben es auch mit dem Alkohol nicht geschafft, den Konsum auf ein erträgliches Niveau zu senken. Wieso sollten wir es mit der Legalisierung anderer Substanzen schaffen? Hinzu kommt: In Zeiten des Internets kommen jede Woche neue Mittelchen auf den Markt. Ich will damit nur sagen: Mit der Legalisierung lösen wir die Drogenproblematik nicht.
Wie lösen wir sie dann?
Ich habe das Gefühl, dass die Aufklärung und die Information in den Hintergrund gerückt sind. Die Leute glauben zwar, sie seien gut informiert, weil sie in den Internet-Foren herumsurfen. Aber es ist wie beim Alkohol: Der Großteil der Menschen glaubt noch immer, dass Wein etwas Gesundes ist, dass man mit Wein einem Herzinfarkt vorbeugen kann. In Wahrheit ist Alkohol eine sehr gefährliche Substanz.
Wobei Joints sicher nicht so gesundheitsschädigend sind wie alkoholische Getränke …
Diesen Satz hören Sie von jungen Leuten als erstes. Aber wir wissen aus Erfahrung: Wenn Leute täglich und viel Cannabis konsumieren, dann sehen wir gewaltige psychische Auswirkungen. Es ist wie beim Alkohol: Wenn Sie nur gelegentlich Alkohol trinken, dann ist das kein Problem. Wenn Sie nur gelegentlich einen Joint auchen, dann ist das ebenfalls kein Problem.
Die Mengen sind das Problem?
Ja. Nicht nur für den Alkohol, auch für Cannabis gilt: Wenn sensible Menschlein die Dosis steigern, dann bekommen sie irgendwann ein Problem.
Interview: Artur Oberhofer
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