Widerlegte Hypothese
Neue Erkenntnisse zum Diabetesrisiko: Ein Südtiroler Bioinformatiker der EURAC analysiert gemeinsam mit Forscherkonsortien Erbgut von tausenden Menschen und widerlegt die Hypothese zur Krankheitsentstehung.
Die Vereinten Nationen erklärten Diabetes zu einer globalen Bedrohung für die Menschheit: Schätzungen zufolge wird die Zahl der Erkrankten weltweit in den kommenden zehn Jahren um mehr als 50 Prozent ansteigen. In Südtirol werden derzeit mehr als 20.000 Patienten mit Typ 2 Diabetes betreut, der häufigsten Form der Zuckerkrankheit.
Ein Team aus internationalen Forschungskonsortien hat unter der Federführung des Bioinformatikers Christian Fuchsberger von der EURAC die genetischen Ursachen erstmals am gesamten Erbgut tausender Menschen erforscht und ein umfassendes Bild der komplexen Krankheit konstruiert. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift Nature vom 11. Juli 2016 veröffentlicht.
Übergewicht und Bewegungsmangel begünstigen die Erkrankung an Diabetes. Die Folge der Krankheit sind häufig Herzkreislauf- und Nierenprobleme. Die Neigung zu Typ 2 Diabetes, im Volksmund auch Alterszucker genannt, ist jedoch auch genetisch bedingt. Forscher hatten in Bevölkerungsstudien bereits Genvarianten entdeckt, die das Risiko, an Diabetes zu erkranken, beeinflussen. Doch waren diese Varianten in der Bevölkerung weit verbreitet. Daher vermuteten sie, dass es vor allem noch nicht identifizierte seltene Genvarianten seien, die die größte Rolle bei einer Erkrankung spielen.
Diese Hypothese überprüfte nun ein internationales Team von mehr als 300 Forschern aus 22 Ländern; federführend war der Südtiroler Christian Fuchsberger, der als Bioinformatiker am Zentrum für Biomedizin der EURAC arbeitet.
In der groß angelegten Studie analysierten die Forscher das Genom, also das gesamte Erbgut, von rund 2700 Menschen. „Es ist die erste Diabetes-Studie überhaupt, in der das ganze Genom so vieler Menschen vollständig sequenziert wurde. Eine solche Datenmenge zu bewältigen, wäre noch vor zehn Jahren nicht möglich gewesen“, erklärt Fuchsberger.
„Wir konnten diese Datenmenge beispielsweise nicht über das Internet übertragen und mussten einen LKW einsetzen, um die Festplatten mit den Daten zu transportieren“, erzählt der Bioinformatiker. In einem nächsten Schritt analysierten die Forscher auch die Exome, also nur die kodierenden „aktiven“ Bereiche des Genoms, von 13.000 Menschen sowie gezielte Abschnitte der DNA an weiteren 112.000 Proben aus der weltweiten Bevölkerung.
Das Ergebnis der Studie zeigt, dass die Genvarianten, die mit Diabetes in Verbindung stehen, in der globalen Bevölkerung weit verbreitet sind; das jeweilige Erkrankungsrisiko hängt von der individuellen Konfiguration der Varianten ab. Die Varianten befinden sich zudem auch an den Stellen im Genom, die bereits vorher in Bevölkerungsstudien ausfindig gemacht worden waren. Seltene Genvarianten spielen also entgegen bisheriger Annahmen keine größere Rolle beim Risiko, an Diabetes zu erkranken.
„Mit dieser Studie haben wir Hypothesen zur Krankheitsentstehung von Typ 2 Diabetes erstmals umfassend überprüft und haben jetzt ein genaueres Bild von den verantwortlichen genetischen Varianten. Damit liefern wir die Basis für eine bessere Behandlung und Vorbeugung“, erklärt Christian Fuchsberger von der EURAC, der Hauptautor der Studie, die am 11. Juli 2016 in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde.
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