Die Schützen-Partei
Der Schützenbund positioniert sich für die kommenden Landtagswahlen neu – und will mit geschickt platzierten Kandidaten zum bedeutenden politischen Player aufsteigen.
Von Anton Rainer
Es war der 30. Juni 2015, als der Schützenbund eines seiner bisher eindrucksvollsten politischen Projekte in die Wege leitete. Seit Monaten rang Südtirols Rechtsopposition um eine Antwort auf die Frage, wie man mit dem von der SVP eingeleiteten Autonomiekonvent umzugehen habe. „Im Prinzip hatten wir zwei Möglichkeiten“, erinnert sich ein Abgeordneter, „entweder wir steigen ein oder wir lassen ihn sterben.“ Mittelweg ausgeschlossen.
Im Sommer 2015 hatte der Schützenbund seine Entscheidung bereits getroffen. „Wenn man eingeladen wird, soll man sich einbringen“, sagt Landeskommandant Elmar Thaler (s. Interview), „sonst entscheiden am Ende andere.“ Zu dem (ergebnislosen) Treffen tauchten neben Thaler und SSB-Geschäftsführer Florian von Ach je drei Vertreter der Süd-Tiroler Freiheit und der Freiheitlichen sowie ein Abgeordneter der BürgerUnion auf.
„Im Schützenbund gibt es zwischen Traditionspflege und Tagespolitik mehrere Strömungen“, erinnert sich ein Teilnehmer der Sitzung, „spätestens hier wurde klar, dass es wieder stärker um Politik gehen soll.“
Wie kein anderer Verein schaffte es der Südtiroler Schützenbund im vergangenen Jahr, seine politische Macht im Land auszubauen. Während die Süd-Tiroler Freiheit noch immer den Wegfall von Parteigründerin Eva Klotz und die herbe Wahlniederlage in Bozen zu verkraften hat und die Freiheitlichen auch dank interner Konflikte am Boden liegen, zeigt der Schützenbund, wo Politik erfolgreich sein kann. Wäre der Südtiroler Schützenbund eine Partei, er würde wohl einige im Landtag vertretenen Fraktionen alt aussehen lassen.
Mit den Jungschützen und Jungmarketenderinnen hat der SSB eine der am stärksten wachsenden Jugendorganisationen im Land (plus 500 im Jahr 2015), mit CLIL-Unterricht und Fahnenerlass zwingt der Schützenbund zuverlässig politische Themen in die öffentliche Debatte.
„Das abgelaufene Jahr war eines der intensivsten überhaupt“, erklärte Elmar Thaler im April – und rief die Losung für die kommenden Jahre aus: „2015 gedenken wir – 2016 gestalten wir.“ Wie diese Gestaltung konkret aussieht, zeigte sich beim oben erwähnten Autonomiekonvent. Obwohl beinahe alle Oppositionsparteien die Pläne des Schützenbunds skeptisch sahen, schafften es dessen Mitglieder ohne politische Hilfe, den Konvent mühelos zu vereinnahmen. „Wir wurden völlig überrannt“ erinnert sich ein führender SVP-Vertreter. In allen Bezirken hatten Schützenkompanien ihre Mitglieder aufgefordert „mit mindestens zwei oder drei Mann pro Kompanie“ zu den Veranstaltungen zu gehen, in der Praxis waren es oft mehr. Mittlerweile finden sich mit Bildungsreferentin Margareth Lun, Bundesmarketenderin Verena Geier und Bundesgeschäftsführer Florian von Ach gleich mehrere Mitglieder der SSB-Bundesleitung im Forum der 33.
Wer den erfolgreichen Sturm auf den Autonomie-Konvent medial nachvollziehen möchte, kann dies zum Beispiel auf „UnserTirol24“ tun. Auf dem rechtskonservativen Nachrichtenportal, dessen Impressum frappierend an die Führungsriege des Schützenbunds erinnert, schreiben Mitglieder der Bundesleitung, wie gut Mitglieder der Bundesleitung die Arbeit des Konvents begleiten. Abgeordnete der Opposition, die den Alleingang des Schützenbunds bereits vor einem Jahr beobachteten, teilen diese Artikel dann auf ihrem Facebook-Profil. Eine politisch perfekt abgekapselte Blase – die auch den Mehrheitsparteien zu schaffen macht.
Als Landesrat Philipp Achammer Anfang Mai auf Facebook zu einem Live-„Bildungsdialog“ einlädt, starten mehrere Mitglieder des Schützenbunds eine konzertierte Aktion. In kürzester Zeit wird Achammer mit Dutzenden Fragen zum Thema CLIL-Unterricht bombardiert, auch UnserTirol-Autoren mischen sich unter die Kommentatoren. Als Achammer zu einem anderen Thema übergeht, erscheint auf dem Portal prompt ein Artikel, der dem Landesrat eine „manipulative Fragenauswahl“ vorwirft.
„Jede Partei würde sich ein derart aktives Medium wünschen“, sagt eine Oppositions-Abgeordnete, „und wenn diese Leute schon in ihrer Freizeit so viel arbeiten – wie viel müssen sie dann erst leisten, wenn sie dafür bezahlt werden?“
Dass Vertreter wie Margareth Lun oder Bundesmarketenderin Verena Geier gezielt für die Landtagswahlen 2018 platziert werden sollen, glauben mehrere Vertreter im Südtiroler Landtag. Letztere leitete bereits die interne Aktionsgruppe „SOKO Tatort Alto Adige“, und als ausgerechnet der SSB FPÖ-Chef HC Strache nach Bozen einlud, wurde sie als Moderatorin verpflichtet. Der Weg in die Landes-Politik ist da nicht weit. „Die Schützen brauchen dringend eine neue Eva Klotz“, bringt es ein Abgeordneter auf den Punkt. Aber auch in anderen Parteien legt der Schützenbund sein politisches Gewicht in die Waagschale:
„Solange ihr von euer Freistaat-Idee nicht loskommt, seid ihr für uns nicht wählbar“, ließ ein Funktionär kürzlich einen Abgeordneten der Freiheitlichen wissen. Übersetzt heißt das: Überlegt euch, wen ihr 2018 an eurer Seite haben möchtet.
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