Die Blaupause
Seit Jahren kopiert die Freiheitliche Ulli Mair Texte von Zeitungen, Online-Portalen und Schwesterparteien, um sie als eigene Pressemitteilungen auszugeben.
Von Anton Rainer
Als sich Ulli Mair am 6. Januar dieses Jahres an die Öffentlichkeit wandte, war sie schneller als so manche Redaktion. Tagelang hatte die Kölner Silvesternacht Europas Rechte auf Trab gehalten, noch immer waren Journalisten damit beschäftigt, das eigene Scheitern in einen größeren Kontext zu stellen.
Nicht so Ulli Mair: Die freiheitliche Abgeordnete hatte ihre Schlüsse längst gezogen. In einer dreiseitigen Pressemitteilung kritisierte Mair die ausbleibende „Sexismus-Debatte“ durch Feministinnen, erinnerte an den „altherrendämlichen Anmachversuch“ des FDP-Politikers Rainer Brüderle und folgerte klug: „Wenn wir Täter […] mit zweierlei Maß messen, lassen wir die betroffenen Frauen im Stich.“ Ein Beitrag, dem kaum etwas fehlte – außer einer Quellenangabe.
Denn: Ulli Mair hatte ihre Pressemitteilung Wort für Wort aus einem Gastkommentar der deutschen Journalistin Birgit Kelle abgeschrieben. Unter dem Titel „Wenn die feministische Empörung ausbleibt“ hatte die kontroverse Buchautorin („Dann mach doch die Bluse zu!“) nur zwei Tage vorher über die Folgen der Kölner Silvesternacht geschrieben.
Die aus urheberrechtlicher Sicht problematische Übernahme ist nur eines von Dutzenden Beispielen, bei denen die Freiheitliche in den vergangenen Jahren fremde Texte als eigene Beiträge ausgab: Einen Artikel der Boulevard-Zeitung „Österreich“ („Schock-Studie über Muslime“) plagiierte Mair im April dieses Jahres, bei einer Kolumne der Frauenzeitschrift „Brigitte“ („Warum ich gegen die Frauenquote bin“) kupferte Mair im Oktober vollinhaltlich ab.
Am vergangenen Montag machte die Abgeordnete mit einer scharfen Presseaussendung („Ficki-Ficki-Kultur“ von „notgeilen Männern“) Stimmung gegen den Mühlbacher Flüchtlingshelfer Armin Mutschlechner (die TAGESZEITUNG berichtete.) Die Aussendung entsprach nahezu eins zu eins einem zweiseitigen Beitrag des islamfeindlichen Blogs „Politically Incorrect“, verfasst von der bayrischen Autorin L.S. Gabriel.
Mair verteidigte sich damit, besagte Webseite nicht zu kennen.
Anders dürfte dies bei der Webseite des FPÖ-Parlamentsklubs sein: Zum Gedenktag für die Opfer von Gewalt an Frauen hatte die Nationalratsabgeordnete Carmen Schimanek dort eine Aussendung zum „Tabuthema“ Frauenfeindlichkeit verfasst. Ulli Mair übernahm die Mitteilung inklusive Zitate noch am selben Tag, ersetzte den Namen der FPÖ-Frauensprecherin durch ihren eigenen und entfernte eine allzu spezifische Anekdote.
Eine perfekte Kopie.
„Der Sachverhalt ist mir bekannt, und auch Frau Schimanek weiß davon“, erklärt Christoph Jäger, parlamentarischer Mitarbeiter der Nationalratsabgeordneten. Dass die Pressemitteilung Wort für Wort übernommen wurde, habe sie aufgrund der guten Zusammenarbeit mit den Südtiroler Blauen zwar nicht gestört – „aber normal ist es auch nicht.“
Daran, dass das Partei-Plagiat hinter den Kulissen alles andere als wohlwollend aufgenommen wurde, erinnert sich ein anderer FPÖ-Mitarbeiter. Man habe sich bei der Südtiroler Schwesterpartei in mündlicher und schriftlicher Form beschwert, heißt es, und darum gebeten, derart offensichtliche Kopien in Zukunft zu unterlassen.
Ulli Mair selbst weiß von einer Beschwerde nichts, im Gegenteil: „Von der FPÖ gibt es sogar die Bitte und den Wunsch, Argumente zu Themen zu übernehmen.“ Darüberhinaus seien Pressemitteilungen ja „Argumente und keine Diplom- oder Doktorarbeit!“ Carmen Schimanek selbst will sich zu dem Thema heute nicht mehr äußern. Auf Anfrage der TAGESZEITUNG erklärt sie entgegen den Aussagen ihres Mitarbeiters, „die angesprochene Aussendung aus Südtirol“ nicht zu kennen.
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