„Dafür ist Zivilgesellschaft da“
Die Anthropologin und Flüchtlingshelferin Monika Weissensteiner über ihre Arbeit für die Alexander-Langer-Stiftung und die Zeit danach.
TAGESZEITUNG: Frau Weissensteiner, nach rund zwei Jahren Monitoring und Flüchtlingshilfe werden Sie Südtirol verlassen. Warum?
Monika Weissensteiner: Im September beginne ich ein EU-Stipendium-finanziertes Doktorat in Canterbury, an dem vier Unis beteiligt sind. Als studierte Anthropologin waren die Themen Migration und Sicherheit für mich schon immer zentral, bei einem Doktorat in Kriminologie werde ich das vertiefen können.
Bedeutet das das Ende Ihres Engagements für die Alexander-Langer-Stiftung?
Wissenschaftlich werde ich die Stiftung sicher noch einige Zeit begleiten, für das Monitoring der Flüchtlingssituation haben wir schon Leute gefunden, die dafür Interesse hätten.
Wie hat die Flüchtlingskrise Südtirol in den letzten zwei Jahren verändert?
Das Phänomen wurde auf jeden Fall präsenter, auch weil die Asylbewerber mittlerweile auf die Gemeinden verteilt werden, anstatt sich auf Bozen und Meran zu konzentrieren, ein wichtiger Schritt. Wichtig und neu war die große Solidarität der Zivilgesellschaft. Diese Motivation gilt es aber zu begleiten, zu koordinieren, zu unterstützen.
Inwiefern arbeiten die Freiwilligen Helfer heute anders als noch vor zwei Jahren?
Die Hilfe für Flüchtlinge auf dem Territorium ist angestiegen, heute gibt es zum Beispiel auch die unabhängige Gruppe „Gleis1“. Aber für gewisse Aktions-Bereiche benötigt man ausgebildete Kompetenzen. Die Einbindung der Gemeinden ist positiv und die Rolle der Freiwillige kann sein, Räume für Begegnungen zu schaffen. Dafür ist Zivilgesellschaft da – nicht dafür, Lücken zu füllen, wo die professionelle Hilfe versagt.
Das passiert weiterhin?
Viele Sprachkurse werden etwa von Freiwilligen gemacht, hier fehlt es an der nötigen Professionalisierung, rechtliche Beratung ist ebenfalls oft mangelhaft.
Hat die Schärfe der politischen Debatte die Arbeit der Freiwilligen erschwert?
Grundsätzlich ist die politische Diskussion nichts Schlimmes, problematisch wird es erst, wenn Angst- und Panikmache der einzige Inhalt sind. Es wäre gut, wenn das Bild vom „Überrannt-Werden“ endlich ein Ende hätte, mit 0,9 Prozent der Asylbewerber ist Südtirol sicher nicht überlastet.
Wie muss sich die Flüchtlingshilfe in den kommenden zwei Jahren verändern?
Wir müssen weg vom Notstand und hin zu einer strukturellen Aufnahme inklusive Kleinunterbringung in den Gemeinden mit professionellen Sprachkursen, Rechtsbeistand, Praktika. Nur so bekommen die Leute die Möglichkeit, auf eigenen Beinen zu stehen.
Interview: Anton Rainer
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