Die Kostenexplosion
Die Kosten für die Flugrettung in Südtirol sind von jährlich 2,5 auf 4,6 Millionen Euro angestiegen. Die Gründe. Und wie man das Kostenproblem lösen will.
von Heinrich Schwarz
Rettungseinsätze sind teuer. Vor allem dann, wenn ein Hubschrauber angefordert wird. Die Südtiroler Flugrettung kostete die öffentliche Hand bisher bis zu 2,5 Millionen Euro jährlich. Die eigentlichen Kosten liegen zwar bei mehr als sechs Millionen Euro, doch die Hubschraubereinsätze bringen auch Einnahmen: Während für Südtiroler lediglich ein Selbstbehalt von 100 Euro anfällt (Ticket), müssen Provinzfremde und Ausländer je nach Anzahl der Flugminuten bezahlen. Verrechnet wird dabei über andere italienische Sanitätsbetriebe, ausländische Krankenkassen oder Privatversicherungen.
Im letzten Jahr allerdings blieben die effektiven Kosten für die Flugrettung nicht bei 2,5 Millionen Euro, sondern schossen auf 4,6 Millionen Euro. Auch im Voranschlag für 2016 schaut es mit rund 4,8 Millionen Euro nicht besser aus. Die Kosten für den Steuerzahler haben sich somit praktisch verdoppelt.
Laut Sanitätslandesrätin Martha Stocker hat die Kostenexplosion zwei einfache Gründe: Die beiden neuen Pelikan-Hubschrauber, die seit März 2015 im Einsatz stehen. „Wir mussten die neuen Hubschrauber aufgrund einer EU-Verordnung einsetzen. Sie sind in der Ausstattung, im Erhalt und natürlich auch in der Amortisierung viel teurer“, so Stocker.
Die EU-Verordnung trat im Oktober 2014 in Kraft. Sie sieht Einschränkungen für den Einsatz von Hubschraubern ohne Tonaufzeichnungsanlage für das Cockpit und ohne Flugdatenschreiber vor. Das Land konnte die Frist nur bis zum darauffolgenden März verlängern. Anschließend wurden die alten Heli-Modelle in weiß-oranger Farbe durch die gelben, modernen Modelle ersetzt.
„Zum einen sind die erhöhten Standards natürlich im Interesse der Flugrettung. Zum anderen sind die Kosten für die Anmietung aber sehr hoch. Ich war selbst sehr überrascht“, erklärt Martha Stocker.
Die Organisation des Landesflugrettungsdienstes obliegt dem Verein „HELI Flugrettung Südtirol“, dessen federführendes Mitglied das Weiße Kreuz ist. Die Landesregierung übernimmt auf Grundlage der Jahresabschlussrechnung die Finanzierung. In der Bilanzübersicht zeigt sich die Kostenexplosion für die Anmietung: Der Verein HELI musste der Pelikan-Betreiberfirma „Inaer“ – sie stellt die beiden Rettungshubschrauber samt Piloten und Flugtechniker zur Verfügung – im Jahr 2014 insgesamt vier Millionen Euro überweisen. Im Vorjahr waren es sieben Millionen Euro.
Die Kosten für den Aiut Alpin Dolomites, der während der Sommer- und Wintersaison als dritter Rettungshubschrauber im Einsatz steht, stiegen indes von 1,5 auf rund 1,8 Millionen Euro an. Die Verrechnung erfolgt hier jedoch nicht mehr über den Verein HELI, sondern direkt über den Sanitätsbetrieb.
Im Zusammenhang mit den hohen Kosten für die Landesflugrettung wurde vor zwei Jahren die Diskussion losgetreten, auch Südtiroler im Falle eines Freizeitunfalles zur Kasse zu bitten. Denn die Einsätze aufgrund eines Freizeit- oder Sportunfalles haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen.
Im Zentrum der Diskussion standen „gefährliche Sportarten“. Die Betroffenen – so die Meinung – würden sich selbst einer Gefahr aussetzen und sollten deshalb eine Privatversicherung abschließen. So könnte bei Freizeitunfällen nach Flugminuten abgerechnet werden, anstatt lediglich ein Ticket von 100 Euro zu verlangen.
Ist diese Idee inzwischen wieder in der Schublade gelandet?
„Nein“, sagt Martha Stocker, „wir haben viel darüber diskutiert. Allerdings besteht die Schwierigkeit in der Frage, wo man beim Begriff ‚gefährliche Sportarten’ eine Abgrenzung macht. Insofern hat sich die Diskussion in die Länge gezogen.“
Eine Lösung scheint demnach noch lange nicht in Sicht zu sein. „Es gibt verschiedene Überlegungen und Berechnungen. Wir sind noch beim Abwägen. Aufgrund der Kostensteigerung ist es aber tatsächlich an der Zeit, das Thema auf breiter Basis zu vertiefen“, so die Landesrätin. Eine Idee sei es etwa, das Ticket im Rahmen einer Neuregelung abzuschaffen.
Etwas Spielraum hat übrigens die Erhöhung des Tarifsatzes für eine Flugminute verschafft. Im vergangenen Herbst hat die Landesregierung den Tarif von 100 auf 140 Euro erhöht. Seit dem 1. Oktober 2015 wird mit 140 Euro pro Flugminute verrechnet. Wie in der Grafik ersichtlich, gibt es bei der Verrechnung der Kosten für Provinzfremde und Ausländer ein kräftiges Ertragsplus. Weil der neue Tarif heuer erstmals über das ganze Jahr angewandt wird, dürften sich die Einnahmen nochmals deutlich erhöhen.
Eine weitere Anpassung nach oben ist laut Martha Stocker derzeit nicht möglich: „Der Sprung von 100 auf 140 Euro lässt sich sicher rechtfertigen, aber jetzt liegen wir im italienischen Schnitt.“
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