Der Boom der Privatmedizin
In Südtirol entstehen immer mehr private Gesundheitsstrukturen. Mehrere Führungspersonen erklären, warum das so ist – und warum private Gesundheitsversorgung nicht nur für Reiche interessant sein kann.
von Heinrich Schwarz
Momentan scheinen die privaten Gesundheitseinrichtungen in Südtirol wie Pilze aus dem Boden zu schießen. In Brixen etwa hat heuer die Privatklinik Brixsana eröffnet – mit 13 verschiedenen Fachrichtungen und vielen namhaften Ärzten, die zum Teil den öffentlichen Krankenhäusern den Rücken kehrten.
Im „Enzian Tower“ in Bozen Süd entsteht der sogenannte „Easy Lab Medical Point“ – ein Poliambulatorium. Untergebracht werden dort unter anderem Außenstellen der Brixsana, der Bozner Marienklinik und von Donna Salus, dem neuen Betrieb von Ex-Gynäkologie-Primar Bruno Engl. Daneben sollen ein Labor, einzelne Chirurgen und andere Fachärzte Platz finden.
Alexander Gardetto, Sanitätsdirektor der Brixsana, erklärt sich den Boom der Privatmedizin in Südtirol so: „Bei uns hat es bisher nicht wirklich viel private Wirtschaft gegeben. Im restlichen Italien oder in Österreich gibt es in jedem größeren Ort Privatkliniken, die alle sehr gut wirtschaften.“ Die Vorteile seien groß: „In der kurzen Zeit habe ich gemerkt, dass der Patient den direkten Zugang zum Arzt sucht. Er kriegt schneller einen Termin, da es keine Massenabfertigung wie in den Krankenhäusern gibt. Zudem kann sich ein privater Arzt viel mehr Zeit nehmen, um mit den Patienten zu reden.“
Als Hauptgrund für die Gründung der Brixsana nennt Gardetto die Entwicklung im Sanitätsbetrieb: „Der Großteil unserer Ärzte hat im öffentlichen Krankenhaus nicht mehr die Erfüllung und Motivation zum Weitermachen gesehen. Also gibt es zwei Alternativen: Südtirol verlassen oder mithilfe von Kollegen etwas Eigenes aufbauen.“
Gerhard Gruber, Geschäftsführer der Marienklinik, kann bestätigen, dass in der Ärzteschaft große Bewegung herrscht: „Wir haben viele Anfragen erhalten. Jeder versucht, sich zu positionieren.“ Den Boom der Privatmedizin in Südtirol erklärt sich Gruber vor allem mit Veränderungen in der Medizin – auch vom Gesetzlichen her. Eingriffe, die früher mit einem Krankenhausaufenthalt von mehreren Tagen verbunden waren, könnten heute teilweise an einem Tag abgewickelt werden. „In der Privatmedizin ist es jedoch nicht sehr einfach. Es ist abzuwarten, was in den nächsten Jahren am Markt passieren wird“, so Gruber.
Um sich für die Zukunft zu rüsten, stellt sich die Marienklinik neu auf. Die Konventionen mit dem Sanitätsbetrieb hat sie inzwischen vollständig aufgegeben. „Und jetzt gehen wir über die Grenzen der Klinik hinaus. Wir definieren uns nicht mehr innerhalb von vier Mauern“ erklärt Gerhard Gruber. Der „Easy Lab Medical Point“ sei nur der Anfang.
Für Rupert Waldner, Leiter der Bozner Privatklinik Villa Melitta, sind die teils sehr langen Wartezeiten in den Krankenhäusern ausschlaggebend für den Boom der privaten Gesundheitsstrukturen. Dasselbe gelte für die Bürokratie im öffentlichen Bereich: „Ein Arzt will sich nicht mit bürokratischen Aufgaben herumschlagen. Wir Private versuchen deshalb, die Bürokratie von den Ärzten wegzuhalten. Sie sollen sich mit den Patienten beschäftigen und nicht mit fadenscheinigen Managementkursen. Ein Arzt ist kein Manager, sondern will, dass ein Mensch so schnell wie möglich gesund wird.“
Wie Gerhard Gruber ist auch Waldner gespannt, wie sich der Markt entwickelt und auf die vor allem chirurgischen Player reagiert. „Das hängt maßgeblich davon ab, wie effizient die öffentliche Hand in Zukunft ist. Wenn es weiterhin solche Wartezeiten gibt, werden alle privaten Strukturen bestehen können“, so Waldner.
Angewiesen sind die Privaten auf die einfachen Bürger. Private Gesundheitsversorgung – so die Zielvorgabe – soll nicht nur für Reiche leistbar sein.
Die Brixsana will deshalb auf private Versicherungen setzen. Anfragen von großen Versicherungsgesellschaften habe es bereits gegeben. „Wir reden von jährlich 300 Euro für eine Unfall- und Krankenversicherung, bei der alles enthalten ist. Das ist für die allermeisten Menschen leistbar“, meint Sanitätsdirektor Alexander Gardetto. In Österreich sei eine solche Zusatzversicherung selbstverständlich – hier in Südtirol sei sie erst im Kommen.
Villa-Melitta-Leiter Rupert Waldner ist für den Moment noch skeptisch: „Für günstige Versicherungstarife braucht es große Einwohnerzahlen. Und die hat Südtirol nicht.“ Trotzdem sei der Mittelstand in Südtirol zunehmend motiviert, für die eigene Gesundheit Geld auszugeben. Stichwort Wartezeiten im Krankenhaus.
Auch Marienklinik-Geschäftsführer Gerhard Gruber ist im Hinblick auf eine Rundumversicherung skeptisch. In der Marienklinik gebe es aber seit eineinhalb Jahren mit der Versicherung Assimoco Konventionen für bestimmte Pakete.
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