Flüchtlinge
„Ich grüße alle meine Freunde! Mögen sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht. Ich allzu Ungeduldiger, gehe ihnen voraus“, schrieb Stefan Zweig 1942.
von Renate Mumelter
Der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig und seine Frau Lotte waren Flüchtlinge. Sie lebten in Petropolis in Brasilien. Als Zweig 60 Jahre alt war, ging es offensichtlich nicht mehr. Er und seine Frau Lotte nahmen sich am 22. Februar 1942 das Leben. Zweig hinterließ einen Abschiedsbrief. Der Schriftsteller war Jude und hatte so wie sehr viele andere aus Europa fliehen müssen.
Maria Schrader erzählt in ihrem gelungenen Film „Vor der Morgenröte“ Zweigs amerikanische Zeit bis zum traurigen Ende. Es ist eine unstete Zeit ohne Heimat, ohne Sprache, mit vielen Reisen, vielen Terminen. Zweig musste zwar nicht in Armut leben, er war aber, wie alle Flüchtlinge auf das Wohlwollen der Gastländer angewiesen um überleben zu können. Und er war sich bewusst, dass er im Vergleich zu jenen, die den Krieg und das Regime daheim aushalten mussten, privilegiert war. Deshalb weigerte er sich, vorschnelle Urteile zu fällen. Trotzdem sind vom Österreicher Sätze überliefert, die vor allem wegen ihrer Aktualität aufhorchen lassen. „Politik verrät das Wort an das Schlagwort“, sagte Zweig in einer seiner Reden. Er war überzeugt davon, „dass Grenzen und Pässe eines Tages der Vergangenheit angehören, ich glaube an ein friedliches Europa“.
Josef Hader fällt es nicht schwer, diese hochaktuellen Sätze als Stefan Zweig glaubwürdig herüberzubringen. Überhaupt entpuppt sich Hader als überzeugender Schauspieler, der nicht nur sich selbst darstellen kann.
Die Schauspielerin Maria Schrader führte Regie, sie zeichnet auch für das Drehbuch verantwortlich. „Vor der Morgenröte“ ist ein Film mit Tiefgang, der Stefan Zweig gerecht wird und der ein Thema aufwirft, das wieder hochaktuell ist: Flucht. Ein Film übrigens, der Lust darauf macht, Zweig zu lesen. Auch das lohnt sich.
Vor der Morgenröte, (A, D, F 2016), 100 Min., Regie: Maria Schrader. Mit: Josef Hader, Aenne Schwarz, Barbara Sukowa. Bewertung: Sehr sehenswert
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