„Falsche“ Rechnung
Die Generalstaatsanwaltschaft hat das zweitinstanzliche Urteil gegen Johann Paul Oberkofler zum Mordversuch an seiner Ehefrau Brigitta Steger angefochten. Mit guten Argumenten.
von Thomas Vikoler
Das Urteil des Bozner Oberlandesgerichts vom Juli vergangenen Jahres wurde nicht nur von den Kindern von Brigitta Steger als äußerst milde eingestuft. Denn das Gericht hatte die Haftstrafe für ihren Ehemann Johann Paul Oberkofler in der zweiten Instanz nahezu halbiert. Von 18 auf zehn Jahren. Vom Vorwurf der Nötigung, wofür er in der ersten Instanz zu zwei Jahre Haft verurteilt worden war, wurde Oberkofler sogar freigesprochen.
Ein Urteil, mit dem beide Prozessparteien nicht zufrieden sind. Sowohl Verteidiger Paolo Fava als auch Generalstaatsanwalt Paul Ranzi haben beim Kassationsgerichtshof Beschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichts eingebracht. Aus unterschiedlichen Gründen: Fava hofft auf eine weitere Haftreduzierung für seinen Mandanten, der Generalstaatsanwalt hält das aktuelle Strafmaß für wesentlich zu milde. Er hatte bei der Verhandlung eine weitgehende Bestätigung der 18 Jahre Haft beantragt.
Es geht in diesen Strafverfahren um die grausame Bluttat, die sich im November 2012 in einem Einfamilienhaus in Luttach ereignete. Oberkofler, Verkaufsleiter einer Fensterfirma, verletzte seine schlafende Ehefrau mit einem Spitzeisen und einem Maurerhammer derart schwer, dass sie in ein unumkehrbares Koma fiel.
Das mutmaßliche Motiv: Die von Brigitta Steger angekündigte Scheidung.
Die Haftreduzierung durch das Oberlandesgericht erklärt sich einmal durch den Umstand, dass Oberkofler laut einem Gutachten des Aachener Psychiaters Henning Sass als zum Tatzeitpunkt teilweise zurechnungsfähig eingestuft wurde.
Ein Gutachten, das der Generalstaatsanwalt nicht anerkennt. Er geht in seiner Berufung von der vollen Zurechnungs- und somit Schuldfähigkeit Oberkoflers aus. Außerdem bemängelt er eine nicht korrekte Einschätzung der erschwerenden Umstände durch das Oberlandesgericht. So hatte dieses die verminderte Abwehrfähigkeit des Opfers gänzlich ausgeschlossen (was angesichts der von den Ermittlern rekonstruierten Tatdynamik verwunderte) und die allgemein mildernden Umstände als überwiegend gegenüber dem einzigen erschwerenden Umstand der nahen Verwandtschaft eingestuft.
Laut Berufungsschrift eine nicht schlüssige Rechnung, durch welche die Haftstrafe zu niedrig ausgefallen sei. Oberkofler büßt derzeit seine Haft in einer Therapieeinrichtung bei Verona ab. Unterstützung erhält er dabei von seiner Mutter.
Ende dieses Monats muss sich der 55-Jährige am Landesgericht Bozen wegen einer zweiten Anklage von Staatsanwältin Luisa Mosna verantworten: Es geht um sexuelle Gewalt und Misshandlung der eigenen Ehefrau.
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