„Ethnische Spalterei“
Der SEL-Parlamentarier Florian Kronbichler kritisiert die Europeada als politisch nicht korrekte Sportveranstaltung.
Florian Kronbicher kann der Europeada nichts abgewinnen.
In einem offenen Brief kritisiert der SEL-Abgeordnete die Sportveranstaltung. Es sei gefährlich, so Kronbichler, Mannschaften nach ethnischen Kriterien zu bilden.
Das ist Kronbichlers offener Brief:
„Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin der FUEN,
liebe Martha Stocker!
Deine Einladung zur Eröffnung der „Europeada“ am 18. Juni in Bruneck hat mich erreicht. Ich danke dir dafür. Und sage ab. Ich bin mit dieser Art Veranstaltung nicht einverstanden, schon seit es sie gibt und diesmal ganz besonders. Dass sie nun zu uns ins Land kommt und du mich dazu einlädst, ist mir verpflichtender Anlass, dir meinen Vorbehalt auszurücken.
Es ist ein Fußballturnier, also ein Spiel, und wenn auch der Titel „Europameisterschaft der autochthonen nationalen Minderheiten“ wenig spielerisch klingt, es soll als Spiel behandelt und somit nicht überinterpretiert werden. Trotzdem: Warum diese geschwollene Bezeichnung? Wir sprechen üblicherweise von „Sprachminderheiten“. Das ist verständlicher, milder und außerdem verfassungsmäßig und von unserem Autonomiestatut geadelt. Ich weiß, dass manche gern von „Volksgruppe“ sprechen und „Sprachgruppe“ für unpatriotisch und eine halbe Konzession an Multikulti halten. Bin ich deshalb ein Deutschsüdtiroler mit einem Identitätsdefizit, wenn es mir Unbehagen bereitet, mich einer „autochthonen nationalen Minderheit“ zurechnen zu müssen?
Soviel zum Namen, aber kommen wir zum Fußball. Ich halte die Bildung von Fußballmannschaften und Fußballmeisterschaften nach ethnischen Kriterien für bedenklich. Generell, und bezogen auf Südtirol ganz besonders. Wenn etwas so groß aufgezogen und medial derart aufgedonnert wird, wie es bei der Europeada der Fall ist, dann ist es zumindest fahrlässig, wenn bestimmte Regeln oder auch nur Empfindlichkeiten außer Acht gelassen werden. Ich nehme das konkrete Beispiel der Deutschsüdtiroler Mannschaft und lasse für die Ladiner mildernde Sonderumstände gelten. Ihre Kleinheit allein bewahrt diese vor jeder Verdächtigung.
Doch unsere deutschsüdtiroler, sagen wir: „autochthone Nationalmannschaft“? Es ist von der vergangenen Ausgabe der Veranstaltung in der Lausitz noch gut in Erinnerung und kehrt in der medialen Aufrüstung für die diesjährige im Pustertal verstärkt wieder: Unsere Deutschsüdtiroler werden systematisch als „die“ Südtiroler gepusht. Daheim, und außerhalb der Landesgrenzen sowieso. In unserem offiziell dreisprachigen Land ist das verfälschend und politisch unkorrekt. Ein Teil produziert sich als das Ganze. Dass es der größere Teil tut, lässt die Unkorrektheit um so größer erscheinen. Ein Teil (die Ladiner dürfen ja mittun) muss sich ausgeschlossen fühlen. Das sind Südtirols Italiener.
Nun will ich dir, liebe Martha, nicht Chauvinismus unterstellen. Vielleicht ist es deine Sportbegeisterung, die dich unbedacht sein lässt. Es ist eines, wenn irgendwo im Land, was weiß ich: auch einmal ein Turnier unter Sprachgruppen ausgetragen wird. Ladiner gegen Italiener und beide gegen Deutsche. Kann lustig sein. Etwas ganz Anderes ist es aber, sobald Südtirol ethnisch getrennt nach außen, gewissermaßen offiziell, ja auf europäischer Ebene auftritt. Die Europeada, so wie sie aufgezogen wird, hat eine politische Dimension. Ich hielte es für naiv und unverantwortlich, das zu leugnen. Wenn der Landeshauptmann schon ankündigt, er werde in Lederhosen erscheinen, wenn „die Südtiroler“ das Finale erreichen, dann ist das doch der Beweis. Ich bitte ihn, er möge sein Versprechen nicht wahrmachen.
Mich stimmt traurig, wie gespürlos und wie gedankenlos Südtirol am Beispiel Europeada in eine neue ethnische Spalterei hineinstolpert. Gerade im Fußball, einem der wenigen Lebensbereiche, in denen es ethnische Trennung nie gab. Liebe Martha, du kennst dich auf dem Gebiet gut genug aus um zu wissen: Wenn es in unserer Jugend irgendwo in einem Südtiroler Dorf nur einen Italiener gab, dann war dieser einzige Italiener der Fußballtrainer im Dorf. Zumindest war er Spieler. Meistens einer der besten. Fußballerisch wurde Südtirol von Italienern kultiviert. Wir verdanken ihnen viel. Das getraue ich mich so zu sagen. Der Fußballplatz war das unbeschwerteste, nachhaltigste Exerzierfeld fürs friedliche Zusammenleben. Und er ist es gegenüber den neu zuziehenden Mitbürgern heute wieder.
Jetzt im Namen Europas ein Fußballspektakel aufzuziehen, von dem eine Sprachgruppe explizit ausgeschlossen ist, halte ich, außer für uneuropäisch, für menschlich wie autonomiepolitisch verwerflich. Ich schäme mich, dass ausgerechnet vor dem Hintergrund der eigentlichen Fußball-Europameisterschaften mit ihren bunten, vielsprachigen Nationalmannschaften unser Südtirol ein sich europäisch nennendes Turnier von „autochthonen“ ethnischen Nationalmannschaften ausrichtet. Ich wünschte mir, es fände sich mindestens ein Südtiroler Spieler, der sich dieser ethnischen Auseinanderdividierung am Fußballplatz verweigert.“
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