Doktor Sommernacht
Der Freiheitliche Pius Leitner beschwert sich über eine Inszenierung der Vereinigten Bühnen Bozen – weil dort ein Penis „offen zur Schau gestellt“ wird.
Im politischen Geschäft kann es manchmal recht schnell in die Hose gehen: Noch vor wenigen Jahren feierten die Südtiroler Freiheitlichen das männliche Geschlechtsteil zum Geburtstag mit passenden Plastikringen – heute taugt dasselbe Organ nur mehr zum mittelschweren Feuilleton-Skandal.
Was ist passiert? In der auch von zahlreichen Schülergruppen besuchten Inszenierung von William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“, ist für wenige Sekunden der Penis eines Hauptdarstellers zu sehen. Im Stück buhlt der liebeskranke Lysander um die hässliche Helena – und unterstreicht seine Lust mit nackten Tatsachen. Taugt das schon zum Skandal?
Was dem Großteil des Bozner Publikums höchstens ein müdes Lächeln entlockte, stieß einer Meraner Lehrperson offensichtlich sauer auf. In einer empörten Mail, die an gleich mehrere Abgeordnete des Südtiroler Landtags adressiert wurde, heißt es: „Als Lehrer begleitete ich gestern Schüler zu einer Theateraufführung und musste mitansehen, wie ein Schauspieler zur Einleitung eines Geschlechtsaktes sein Geschlechtsteil dem Publikum präsentierte.“ Eine eher steif formulierte Passage, die sich nun fast wortwörtlich in der Anfrage des Abgeordneten Leitner wiederfindet.
Dort möchte der Freiheitliche von der Landesregierung wissen, ob es wahr ist, „dass im Theaterstück […] dem Publikum Geschlechtsteile offen zur Schau gestellt werden“, „warum dieses Theaterstück als Vormittagsveranstaltung für Schüler zugelassen“ wurde – und: „Ist die Landesregierung nicht der Ansicht, dass der Jugendschutz einen höheren Stellenwert einnehmen sollte als die Freiheit der Kunst?“
In Zeiten von Internet-Pornografie und Nacktselfies eigentlich eine spannende Frage – hätte besagte Lehrperson sie nicht bereits für sich selbst beantwortet: „Als Lehrperson sehe ich mich in der Pflicht, Minderjährige zu schützen“, schreibt der Meraner Lehrer entrüstet, „Ich taxiere die Entblößung eines Geschlechtsteiles vor Minderjährigen im oben erwähnten Zusammenhang als Gewaltakt.“
Eine andere Lösung des mehr oder weniger komplexen Problems findet der für deutsche Kultur zuständige Landesrat Philipp Achammer, der bei der Premiere des „Sommernachtstraums“ selbst anwesend war: „Ich halte extrem wenig von politischen Versuchen, auf die Freiheit der Kunst einzuwirken“, sagt Achammer, der sich zum konkreten Bühneneklat aber lieber nicht äußern will. Kann man Schülern nun ein nacktes Geschlechtsteil zumuten? „Einen politischen Beißhund, der sich Stücke ansieht, bevor er sie freigibt, braucht es jedenfalls nicht“, meint Achammer, „und jeder weitere Kommentar dazu erübrigt sich.“
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