Langzeit-Studenten
Vor rund einem Jahr beschloss der Landtag, den in Südtirol falsch verwendeten Doktortiteln den Kampf anzusagen. Passiert ist bis heute nur wenig.
Von Anton Rainer
Eines lässt sich mit großer Sicherheit sagen: Wohl nirgends auf der Welt tragen so viele Menschen den Doktortitel in ihrem Namen wie in Südtirol. Zurückzuführen ist diese Tatsache weder auf besondere Bemühungen des Bildungsressorts noch auf eine statistisch außergewöhnliche Häufung kluger Köpfe – sondern auf einen simplen Übersetzungsfehler.
Während im gesamten deutschsprachigen Ausland nur Absolventen eines Doktoratsstudiums zum „Dr.“ werden, reicht in Italien bereits ein dreijähriges Bachelorstudium für den Titel „Dottore (laurea triennale).“ Soweit so rechtmäßig. Problematisch wird es jedoch, wenn Südtiroler diesen Junior-Titel wortwörtlich ins Deutsche übersetzen, um zum Doktor zu machen, was kein Doktor ist.
Im Landtag wurde die „akademische Falschmünzerei“ erstmals im Mai 2015 thematisiert – unter anderem deshalb, weil gleich mehrere Mitglieder der Landesregierung im Netz urplötzlich „promovierten“. Ein Beschlussantrag der Grünen, ein Ende dieses Missbrauchs per „klar formuliertem Rundschreiben“ zu beenden, wurde mit großer Stimmenmehrheit verabschiedet – und die Landesregierung gelobte Besserung.
Heute, knapp ein Jahr danach, scheint sich die Forderung jedoch in den „Mühlen des Deeg’schen Ressorts“ verfangen zu haben, wie der (tatsächlich promovierte) Abgeordnete Hans Heiss beklagt. Das Anliegen habe keinen prioritären Charakter, stellt Landesrätin Waltraud Deeg in einer Anfragebeantwortung klar – und eine interne Empfehlung, die Anwendung der Titel „abzuwägen“, habe es ohnehin schon gegeben. Außerdem: „Zu bedenken gibt es dabei die besondere Situation Südtirols, deren (sic!) man sich bewusst sein muss.“
Auf Anfrage der TAGESZEITUNG bestätigt die Personallandesrätin, dass ein erstes Mail ohne verpflichtende Anweisung intern verschickt worden sei, weitere Rundschreiben aber „in der Verantwortung von Generaldirektor Hanspeter Staffler liegen.“ Die beste Lösung, meint Waltraud Deeg, „wäre es ohnehin, die Titel ganz wegzulassen. Wir arbeiten und leben schließlich auch ohne Titel gut.“
Obwohl sie einen Magisterabschluss habe, erklärt die Landesrätin, verwende sie nie ein „Mag.“ vor ihrem Vornamen. Stimmt: Auf der Website ihrer Ressortmitarbeiter firmiert Deeg auch heute noch als „Dr.“.
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