Die Aufpasserin
Thomas Widmann wird am Montag zum neuen Präsidenten des Regionalrats gewählt. Chiara Avanzo soll dem SVP-Politiker auf die Finger schauen, damit dieser in der Renten-Angelegenheit keinen Kurswechsel vollzieht.
Von Matthias Kofler
Dieter Steger lässt keinen Zweifel offen: „Wir werden am Montag den Fraktionskollegen Thomas Widmann für das Amt des Regionalratspräsidenten vorschlagen – und ich gehe fest davon aus, dass er gewählt wird“, so der SVP-Fraktionssprecher gegenüber der TAGESZEITUNG.
Der Regionalrat kommt am Montag zu seiner ersten Sitzung in Bozen zusammen, nachdem die Sitzungen zweieinhalb Jahre in Trient abgehalten wurden. Auf der Tagesordnung steht nur ein Punkt: nämlich die Wahl des neuen Regionalratspräsidenten und der beiden Stellvertreter.
Chiara Avanzo, die das hohe Amt nach dem Tod des PATT-Politikers Diego Moltrer Ende 2014 übernommen hat, wird das Zepter an einen Nachfolger aus Südtirol übergeben. Koalitionsintern steht das Vorschlagsrecht der SVP zu: Diese setzte von Beginn der Legislatur an darauf, Thomas Widmann nach seinem Ausscheiden als Landtagspräsidenten nun mit dem Amt des Regionalratspräsidenten zu beglücken.
Doch seine Kür gestaltete sich schwieriger, als anfangs angenommen. Hintergrund ist die Rentenaffäre, die die Abgeordneten in dieser Legislatur so sehr zu schaffen machte. Im Januar wurden aus Trentiner Kreisen Stimmen laut geworden, wonach Koalitionsparteien des Trentino an einer möglichen Präsidentschaft von Thomas Widmann rütteln wollen. Man wollte die Volkspartei dazu bewegen, dass sie an Widmanns Stelle einen anderen Kandidaten ins Rennen um die Regionalratspräsidentschaft schickt.
Interessant ist dabei die politische Begründung: Man zweifelte nicht an der Fähigkeit des ehemaligen Landtagspräsidenten, eine Versammlung gut zu leiten. Dass Widmann das kann, hatte er in Bozen bewiesen – er genießt auch in den Reihen der Opposition große Wertschätzung, weil er sich sehr bemüht hat, der Präsident aller zu sein. Am vergangenen Montag wurde Widmann deshalb auch mit 26 Stimmen zum neuen Landtagsvizepräsidenten gewählt – acht Stimmen kamen direkt aus dem Oppositionslager.
Der Grund für den koalitionsinternen Widerstand von PATT und PD lag vielmehr in der zukünftigen Rolle der Region bei der Handhabe der Politikerrenten: Die scheidende Präsidentin Chiara Avanzo verfolgte, wie auch schon ihr verstorbener Vorgänger Diego Moltrer, in der Causa Luxusrenten eine harte Linie gegen die Altmandatare, vor allem was die Rückzahlung der ausstehenden Gelder und die im Family Fonds deponierten Quoten betrifft. Chiara Avanzo hatte auch eine Pfändung der Vorschüsse angekündigt, sollten sich die Altmandatare weiterhin weigern, ihre erhaltenen Summen zurückzuzahlen, wie es das Regionalgesetz vom Juli 2014 vorsieht.
Die Trentiner Regierungsvertreter fürchteten also, dass Thomas Widmann als möglicher Präsident in der Renten-Affäre keinen so harten Kurs fahren würde wie seine Vorgängerin. Um ein Nachgeben in dieser Angelegenheit zu verhindern – schließlich will man
eine „Wiedergeburt“ der Wutbürger tunlichst vermeiden –, wünschten sich einige Trentiner Abgeordnete des PATT und des PD, dass nicht Widmann neuer Präsident des Regionalrats wird, sondern ein anderer Vertreter der Volkspartei, der in der Sache die bisherige Linie fortsetzt.
Doch mittlerweile sind einige Monate vergangen. Dieter Steger geht fest davon aus, dass die Trentiner am Montag keinen Widerstand gegen die Widmann-Nominierung leisten werden. Der Hintergrund: Im Februar, als die Mehrheit in einer Nachtsitzung das neue Wahlrecht für Bozen durch den Regionalrat boxen musste, übernahm der SVP-Politiker vorübergehend die Sitzungsleitung, da Chiara Avanzo mit dem Sturmlauf der Opposition um Andreas Pöder und Co. nicht überfordert schien.
Durch eine geschickte Auslegung der Geschäftsordnung schaffte es Widmann, mit einem Schlag Hunderte von Abänderungsanträgen der Opposition vom Tisch zu fegen, sodass das neue Gesetz schließlich verabschiedet werden konnte. Mit seiner harten Haltung hat sich der designierte Regionalratspräsident in der Region großen Respekt erarbeitet.
PATT und PD zeigen sich nun bereit, den Kandidaten der Volkspartei – unabhängig ob er Widmann heißt oder nicht – auch mitzutragen. Im Gegenzug, so erklärt SVP-Fraktionssprecher Dieter Steger, werde man auch den Vorschlag des PATT auf das Amt des Vizepräsidenten akzeptieren. „Wir haben aber noch keine Indikationen aus Trient erhalten“, so Steger.
Chiara Avanzo teilte der TAGESZEITUNG mit, dass sie gerne Widmanns Stellvertreterin werden wolle. „Die Entscheidung trifft aber die Mehrheit bzw. das Plenum, das souverän ist“, so die scheidende Regionalratspräsidentin. Auch PATT-Fraktionssprecher Walter Kaswalder hat Ambitionen auf die Vizepräsidentschaft erhoben.
Am Ende dürfte sich Chiara Avanzo durchsetzen – unter der Bedingung, dass sie Thomas Widmann auf die Finger schaut, damit er in der Renten-Angelegenheit keinen Kurswechsel vollzieht. Auf Nachfrage des Oppositionellen Claudio Civettini erklärte die PATT-Politikerin, dass es mit ihr keine Abkehr von der klaren Linie des Präsidiums geben werde:
„Wir warten derzeit – auch auf Empfehlung des Rechnungshofes – das Urteil des Kassationsgerichtshofes ab, der das für diesen Sachbereich zuständige Gericht zu bestimmen hat. Sobald wir die Sicherheit haben, vor welchem Gericht der Rechtsstreit ausgetragen wird, werden wir jeglichen Rechtsweg beschreiten, einschließlich der Zwangseintreibung der geschuldeten Beträge“, kündigte Chiara Avanzo an.
Ausgetauscht wird am Montag auch der ladinische Vizepräsident: Stellvertreter Florian Mussner, der in die Regionalregierung wechseln soll, tauscht seinen Platz mit dem bisherigen Regionalassessor Giuseppe Detomas.
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