Die heimliche Geldmacherei
Anrufe, SMS und Internet im Ausland sind jetzt noch billiger. Doch einige italienische Mobilfunkgesellschaften holen das verlorene Geld mit versteckten Paketen wieder herein. Auf was Sie achten müssen.
von Heinrich Schwarz
Die italienischen Mobilfunkgesellschaften beweisen es immer wieder: Wenn aufgrund gesetzlicher Neuerungen der Umsatz zu sinken droht, finden sie prompt einen Schlupfweg, um das Geld wieder hereinzuholen. Der letzte Fall betrifft ganz besonders Südtirol. Denn es geht um die Kosten von Anrufen, SMS und mobilen Internet im Ausland. Wer nicht aufpasst, kann plötzlich ohne Guthaben auf seiner SIM-Karte dastehen.
Bekanntlich sind mit 1. Mai 2016 wieder die sogenannten Roaming-Gebühren gesunken. Laut einer Verordnung der EU darf ein abgehender Anruf im EU-Ausland maximal 5 Cent pro Minute plus Mehrwertsteuer mehr kosten als im Inland. Eingehende Anrufe dürfen maximal 1,14 Cent kosten. Der Aufschlag auf SMS darf maximal 2 Cent betragen – beim Internet höchstens 5 Cent pro Megabyte. Mit 15. Juni 2017 werden die Roaming-Gebühren in der EU komplett abgeschafft.
Keine neuen Freunde hat sich in diesem Zusammenhang der Mobilfunkbetreiber TIM gemacht. Er hat nun einen neuen Basistarif mit dem Namen „Europa Daily Basic“ eingeführt und bei allen Kunden automatisch aktiviert, sofern noch kein besonderer Roaming-Dienst aktiviert war.
Wie Kunden in diversen italienischen Internet-Foren betonen, gab es keinerlei Hinweis zur Aktivierung des Pakets. Nur wer zufällig in sein Benutzerkonto schaute, wurde darauf aufmerksam. Und wer bei TIM um eine Deaktivierung anfragte, dem wurde mitgeteilt, dass das nicht möglich sei.
Dabei hat es das Paket „Europa Daily Basic“ in sich: Wer im EU-Ausland einen Anruf tätigt, einen Anruf entgegennimmt oder eine SMS schreibt, dem werden sofort 3 Euro abgezogen. Im Gegenzug erhält der Kunde für den gesamten Tag jeweils 100 Freiminuten für abgehende und eingehende Anrufe sowie 100 freie SMS. Am nächsten Tag geht das Ganze wieder von vorne los. Weitere 3 Euro werden abgezogen, falls man mit dem Smartphone ins Internet geht. Dafür kann man bis Mitternacht 300 Megabyte verbrauchen.
Ein verärgerter TIM-Kunde sagt: „Wenn ich also einen Ausflug nach Innsbruck mache und dort nur kurz ein Telefongespräch entgegennehme, würde ich laut neuem Europatarif nicht einmal 2 Cent zahlen. Nachdem TIM aber dieses Paket aktiviert hat, zieht man mir sofort 3 Euro ab. Der Restbetrag von 2,98 Euro wird nicht zurückerstattet. Und wenn ich noch ganz kurz ins Internet hineinschaue, zieht man mir noch einmal 3 Euro ab – ganz unabhängig davon, dass ich nur wenig konsumiert habe.“
Der TIM-Kunde hat sich zu Beginn der Woche an den Kommunikationsbeirat des Landes gewandt, der kostenlos Schlichtungsverfahren zwischen Bürgern und Telefongesellschaften bearbeitet. „Die Anlaufstelle hat vom Fall zwar noch nichts gehört. Aber man hat mir das Formular für die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens zugeschickt“, so der Kunde. Auch die Verbraucherzentrale Südtirol hat zu Wochenbeginn noch nichts vom Fall gewusst. Das hat sich inzwischen geändert (siehe weiter unten).
Weil in ganz Italien gegen TIM protestiert wurde, scheint sich jetzt etwas zu bewegen. „TIM hat sich bereiterklärt, das Paket zu deaktivieren – aber nur auf schriftlichem Weg in einem TIM-Geschäft“, so der Kunde. Er hat die Deaktivierung umgehend beantragt.
Aufzupassen ist allerdings nicht nur bei TIM. Auch WIND hat ein Paket nach genau demselben Prinzip eingeführt. Allerdings zu einem Tagespreis von 2 Euro bei weniger Minuten, SMS und Megabyte. Und: Die Deaktivierung des Pakets und der Übergang zum normale Europatarif ist relativ unkompliziert (Geschäfte, Online, SMS). Beim Anbieter Tre gibt es ebenfalls Neuerungen. Jedoch wird automatisch der Europatarif angewandt. Ein neues Sonderpaket kann frei aktiviert werden. Bei Vodafone gibt es schon seit längerem ein Paket für das Ausland zu 3 Euro pro Tag. Dieses kann problemlos deaktiviert werden, falls es einem Nutzer unvorteilhafter als der Europatarif erscheint.
Fazit: Während Vodafone, WIND und Tre relativ transparent handeln und ihre Pakete bei einer gewissen Nutzung des Handys im Ausland gar nicht mal so unattraktiv sind, hat TIM seine Kunden mit der fragwürdigen Vorgangsweise und den hohen Kosten von sechs Euro im Falle von Telefon- und Internetnutzung ziemlich verärgert.
In der Verbraucherzentrale ist der Fall TIM inzwischen zu einem großen Thema geworden. „Bei uns melden sich immer mehr Kunden“, sagt Geschäftsführer Walther Andreaus. „Es sind die üblichen Tricks der großen Telefongesellschaften, wo sie aus der Not eine Tugend machen.“
Die Verbraucherzentrale prüft derzeit die Aussagen der Kunden. „Danach werden wir unsere Eindrücke bei den richtigen Stellen monieren“, so Andreaus.
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