Österreich wählt seinen Präsidenten
Heute wählt Österreich sein Staatsoberhaupt. Warum ein SVP-Mitglied eine peinliche Schlappe davontragen dürfte – und Südtirols Politiker auf eine grün-blaue Stichwahl tippen.
Von Anton Rainer
Wer rechnen kann, erkennt: Weit lehnt sich Philipp Achammer mit seiner Prognose nicht gerade aus dem Fenster. „Ich tippe darauf, dass beide Regierungsparteien nicht in die Stichwahl kommen“, sagt der SVP-Obmann, „leider.“
Am heutigen Sonntag wählt Österreich sein zukünftiges Staatsoberhaupt – und es dürfte die wohl spannendste Bundespräsidentschafts-Wahl aller Zeiten werden. Mit sechs Kandidaten ist die Auswahl so groß wie bisher nur einmal (im Jahr 1951), die Regierungsparteien liegen in Umfragen erstmals auf den hinteren Plätzen, und mit der ehemaligen Richterin Irmgard Griss könnte es zum ersten Mal eine Frau in die Stichwahl schaffen.
In erster Linie aber, und das zeigt nicht erst die Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OGM vom vergangenen Dienstag, zeichnet sich eine historische Niederlage der Österreichischen Volkspartei und ihres Kandidaten Andreas Khol ab. „Als SVP-Ehrenmitglied wäre er mein Wunschkandidat“, sagt Philipp Achammer, „aber die großen Parteien sind ja so groß nicht mehr.“
Aktuell liegt der in Südtirol aufgewachsene ehemalige ÖVP-Klubobmann bei gerade einmal 9 Prozent der Stimmen.
Auch für Rudolf Hundstorfer sieht es derzeit nicht besser aus. Der gebürtige Wiener, der noch bis Jänner dieses Jahres als Bundesminister für Arbeit und Soziales der zeitweise unbeliebtesten österreichischen Regierung angehörte, liegt in Umfragen bei rund 14 Prozent – und hat auch in Südtirol nur wenige Fans.
Einer von ihnen ist Helmuth Renzler.
„Rudolf Hundstorfer wäre mein Wunschkandidat gewesen“, sagt der SVP-Arbeitnehmer, „er ist meiner Meinung nach der Ausgewogenste von allen.“ An einen Sieg Hundstorfers glaubt Renzler aber nicht mehr: „In die Stichwahl werden Norbert Hofer und Van der Bellen kommen“, sagt der Abgeordnete, „und dann werden die Österreicher hoffentlich klug sein und Van der Bellen wählen.“
Gemeinsam mit dem ÖVP-Seniorenvertreter Andreas Khol ist Alexander Van der Bellen, ehemaliger Bundessprecher der Grünen und nunmehr „unabhängiger“ Kandidat, Südtirol rein geographisch am nächsten. Der heute 72-Jährige ist in Innsbruck aufgewachsen, wo er im Fach Wirtschaftswissenschaft habilitierte. Fans hat der langjährige Professor nicht nur bei den SVP-Arbeitnehmern – sondern auch bei den Grünen.
„Meine Prognose: Sieger wird Sascha“, spekuliert, sich auf Van der Bellens Spitznamen berufend, Grünen-Obfrau Brigitte Foppa, „Er wird die Stichwahl gegen Irmgard Griss gewinnen.“
Mit Irmgard Griss tritt eine Art unabhängiges „Ein-Personen-Unternehmen“ zur Bundespräsidentschaftswahl an. Die 69-Jährige Steirerin war Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und wurde einer breiten Öffentlichkeit bekannt, als sie die Untersuchungskommission zum milliardenschweren Hypo-Skandal leitete.
In Österreich kostet die Juristin das Mitte-Rechts-Lager Stimmen – in Südtirol hat sie hingegen, ähnlich wie der selbsternannte Kasperl Richard „Mörtl“ Lugner kaum Fans.
Hier stellt sich das patriotische Lager hinter einen gemeinsamen Kandidaten: Norbert Hofer. Der rhetorisch etwas blasse Jungspund unter den (durchschnittlich über 67 Jahre alten) Bewerbern tritt für die Freiheitliche Partei zu den Präsidentschaftswahlen an – und hat hierzulande nicht nur Blaue Groupies. „Natürlich ganz klar Norbert Hofer“ wünscht sich Ulli Mair als Bundespräsidenten, die Stichwahl werde entweder zwischen Hofer und Van der Bellen, oder aber „Griss und dem alten Grünengrantler“ entschieden. Für Norbert Hofer drücken auch Süd-Tiroler Freiheit und BürgerUnion die Daumen. Während Sven Knoll sich schon augenzwinkernd auf einen „Oberkommandanten namens Hofer“ freut, witzelt Andreas Pöder: „Sollte in Wien ein grüner Bundespräsident sitzen, macht der Grenzzaun am Brenner doch wieder irgendwie Sinn.“
Gegen Hofer werde sich der Grüne aber – schon durch die Unterstützung der übrigen Wähler – in der Stichwahl „leider“ durchsetzen.
Derartige Prognosen traut sich Philipp Achammer noch nicht zu: „Ich warte die Wahl am Sonntag ab“, sagt der vorsichtige SVP-Chef. Auch das ist die Folge einer spannenden Wahl: Noch ist völlig offen, mit wem man es sich verscherzen könnte.
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