„Echo als Bieröffner“
Nun hat die Brixner Rockband Frei.Wild ihn doch – den Echo. Frontmann Philipp Burger über die Bedeutung der Auszeichnung, warum er den Preis nicht zu Hause aufstellen wird, die Pfiffe bei der Verleihung – und wem er den Stinkefinger gezeigt hat.
TAGESZEITUNG Online: Herr Burger, nun hat Frei.Wild doch den Echo erhalten. Was bedeutet der deutsche Musikpreis Ihrer Gruppe?
Philipp Burger: Grundsätzlich hat er der Preis an sich eine weit weniger große Gewichtung für uns, als er es wahrscheinlich für die meisten anderen Künstler haben wird. Als Symbol, für welchen wir ihn für uns deklariert haben, nämlich, dass er für uns als solches gegen Ausgrenzung und Korrektur früherer Fehlentscheidungen steht, hat er nun aber eine wahrlich immens große Bedeutung – hier geht es um unser von uns klar definiertes Credo: Wenn man an eine Sache glaubt, an seinen Zielen festhält, den Weg aufrichtig geht und sich auch trotz großem Gegenwind nicht verbiegen lässt, dann ist selbst eine aussichtslos erscheinende Anerkennung in der Musikbranche und darüber hinaus möglich. Dieser Echo zeigt, dass man als vermeintlich Totgesagter trotzdem Erfolge feiern kann und selbst den wichtigsten deutschen Musikpreis und die dadurch resultierende verdiente Anerkennung gewinnen kann. In Bezug auf Frei.Wild hätte das wohl niemand für real möglich gehalten. In Folge dessen und nur aufgrund dieses Faktums ist uns diese Auszeichnung wichtig. Vor allem, weil er im Schwerpunkt unseren Fans gebührt, die all die Jahre über schon sehr heftigen Druck auf sich nehmen mussten. Betrachtet man die reinen Verkaufszahlen, so war „Opposition“ mit Abstand ganz vorne. Irgendwelche Spielereien im Hintergrund hätten das Ruder aber sicherlich dennoch rumreißen können, diesmal hat man sich seitens des Echos aber sehr korrekt verhalten und auch das erkennen wir an. Unsere Aufregung im Vorfeld war auf alle Fälle unglaublich groß! Aber schön, dass es nun rum ist und wir uns wieder den regulären Bandaufgaben widmen können.
Waren Sie sich sicher, dass Sie den Preis bekommen?
Was heißt sicher? Es hat dieses Jahr alles darauf hingewiesen, aber was soll das schon heißen? In Summe kamen unsere Mitnominierten zusammen auf gerade mal 20 Prozent mehr Verkaufseinheiten, als wir mit unserem Album „Opposition“. Es ist unser bisher erfolgreichstes Album, aber wie heißt es so schön? Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Nein, wir waren uns nicht sicher, den Echo zu bekommen, haben aber damit gerechnet ihn zu bekommen.
Ihre Band wurde noch 2013 beim Echo von der Nominiertenliste gestrichen, nachdem die beiden Gruppen Kraftklub und Mia mit einem Boykott gedroht hatten. 2014 hat Frei.Wild selbst die Einladung zur Echo-Preisverleihung im Vorfeld ausgeschlagen. Ein Fernbleiben wurde heuer in der Band nicht diskutiert?
Natürlich wurde ein Hingehen oder Fernbleiben diskutiert, sehr intensiv sogar, nur war dieses Jahr eine Sache anders: Wir haben bei einem Treffen in Berlin eine offene und ehrliche Entschuldigung vom Echo-Gremium erhalten, völlig ausreichend und so haben wir diese auch angenommen. 2014 haben wir erklärt, dass wir uns von den Verantwortlichen eine aufrichtige Entschuldigung erwarten. Damals hat man uns das verwehrt. Im Gegenteil: Damals wurde sogar betont, dass der Ausschluss 2013 richtig gewesen sei. 2014 berief man dann den eigens in die Welt gerufenen Echo-Ethik-Beirat ein, der nach durchforsten unserer Alben sofort grünes Licht gab. Man setzte uns somit erneut auf die Nominiertenliste, Entschuldigung kam dennoch keine. Wenn man einen Fehler gemacht hat, dann sollte man auch dazu stehen, das hat man dieses Jahr erstmals getan und so hat sich das letztlich auf die diesjährige Entscheidung übertragen, hinzugehen und diese Bandfamilie zu repräsentieren.
Als Sie und Ihre Bandmitglieder bei der Verleihung auf die Bühne sind, wurden Sie von einigen wenigen ausgepfiffen…
Wir haben mit sehr viel mehr Pfiffen gerechnet und waren im Grunde auf alles vorbereitet. Schlussendlich waren es exakt drei Leute, die aufgestanden sind und diese Pfiffe von sich gegeben haben. Dieses absolut unverständliche Fehlverhalten kennen wir auch von den Spatzen-Echos. Auch hier wurde nicht selten gepfiffen und gebuht. Ich war unglaublich nervös und konnte mich in diesem Moment einfach nicht zurückhalten, diesen Aggressoren meinen Mittelfinger entgegenzuhalten – weil es einfach unfassbar schwach war, ein solches Verhalten an den Tag zu legen. Wir haben uns nichts vorzuwerfen, haben niemanden irgendetwas getan, haben aber die Verkaufszahlen erreicht, die für diesen Sieg nötig gewesen sind. Wer es uns nicht gönnt, dem sei verziehen, es spielt keine Rolle, aber auf ein solch ausgrenzendes Verhalten mit einer entsprechenden Geste in Form eines ausgestreckten Mittelfingers zu reagieren, ist das Mindeste, was man machen kann.
Wem haben Sie genau den Mittelfinger gezeigt?
Es waren drei aufgepumpte Leute, Crewmitglieder eines Hip-Hop-Rap-Stalls in Berlin, welchem, ist egal. Eben genau solche Leute, die in ihren Liedern alles andere als lebensbejahende Werte verkörpern, in denen Frauenfeindlichkeit und Gewaltphantasien zum Grundinhalt eines Songs gehören, meinen, über uns richten zu müssen. Das ist schlichtweg lächerlich und entbehrt jeder Logik. Als Frei.Wild für den Echo verkündet wurde, sind sie zeitgleich mit uns aufgestanden und haben ihre Buhrufe gestartet. Zwar war meine Reaktion sicher nicht die Souveränste – aber leid tut sie mir wahrlich auch nicht.
Sie haben betont: Der Preis wird nicht zu Hause aufgestellt. Frei.Wild widmet den Preis nur den Fans…
So ist es. Diese Band besteht aus mehr als nur vier Musikern. Wie jede andere Band auch funktioniert sie nur durch die Unterstützung der Fans. Wir haben wegen dem Echo über die letzten Jahre unfassbar großen Ärger gehabt. Bei den Fans, die dieser Bandfamilie nur durch pure Leidenschaft und Hingabe beiwohnen, war es genauso. Auch sie bekamen von allen Richtungen viel Gegenwind. Ob Anfeindungen oder Drohungen im Vorfeld: Wenn man sich immer für eine Band rechtfertigen muss, ist das ebenso nervenaufreibend wie für die Band selbst. Dass uns unsere Fans trotz diesem Umstand bis heute so treu zur Seite stehen, ist im Grunde alles andere als logisch, aber exakt dafür lieben wir sie auch so sehr. Darum wird der Preis den Fans vermacht und auch öffentlich aufgestellt. Ich muss auch sagen, die Lust, diesen Preis zu Hause aufzustellen, hält sich auch stark in Grenzen, da er mich permanent an den Ärger erinnern würde und unsere Wohnungen frei von Frei.Wild sind. Hier regieren die Frauen über die Einrichtung (lacht). Nichts desto trotz steht der Preis für das, was wir gesagt haben. Daher werden wir die Auszeichnung und auch die Echo-Rede dementsprechend positionieren, damit jeder einzelne Fan sieht, dass der Preis für ihn selbst bestimmt ist.
Haben Sie den Preis gefeiert?
Wir hatten gleich danach ein Konzert in Emden. Wir haben den Saal verlassen, haben noch vor dem Saal auf dem violetten Teppich der Bild ein Interview gegeben und sind danach mit dem Echo-Shuttle zum Charterflughafen nach Schönefeld gebracht worden. Während des einstündigen Fluges haben wir etwas gefeiert und uns auf das Konzert in Emden vorbereitet, mit dem Echo als Bieröffner (siehe VIDEO) und großer Freude, zu dem zurückzukehren, was uns am meisten bedeutet: unsere Crew, unsere Freunde, die Bühne und die Menschen davor.
Interview: Erna Egger
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