Die Zaun-Visite
Die Fraktionschefs der Landtage von Bozen, Innsbruck und Trient treffen sich heute am Brenner, um eine gemeinsame Erklärung zur Flüchtlingskrise zu erarbeiten. Nicht alle haben damit ihre Freude.
Von Matthias Kofler
Die Gemeinde Brenner erwartet hohen Besuch: In dem kleinen Grenzort kommen heute die Fraktionssprecher der drei Landtage von Bozen, Innsbruck und Trient zusammen, um eine gemeinsame Erklärung zur aktuellen Flüchtlingskrise zu erarbeiten. Der fertige Text soll in der kommenden Sitzung des Dreier-Landtags am 20. April in Trient verabschiedet werden.
Hintergrund des inoffiziellen Treffens sind die Bestrebungen Österreichs, an seinen Grenzen wieder Kontrollen durchzuführen, um auf diese Weise den Flüchtlingszustrom einzudämmen.
Die Ausarbeitung eines gemeinsamen Beschlussantrages dürfte aber alles andere als einfach werden. Denn während sich die Parteien diesseits des Brenners strikt gegen Grenzkontrollen und damit gegen eine Aussetzung des Schengen-Abkommens aussprechen (SVP-Obmann Philipp Achammer spricht von einem „Rückschritt in alte Zeiten“), sind im Bundesland Tirol die Zaun-Befürworter in der Überzahl. „So leid es mir tut. Da müssen Maßnahmen gesetzt werden. Wir haben einen Vorschlag ausgearbeitet, bis hin, dass auch Grenzkontrollen am Brenner stattfinden müssen“, sagte der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter.
Aus dem Südtiroler Landtag sind dementsprechend kritische Töne zu vernehmen. Einige Fraktionssprecher hätten auf den heutigen „Ausflug“ an den Brenner liebend gern verzichtet, weil sie nicht damit rechnen, am Ende des Tages zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kommen zu können. „Mehr als ein schönes Gruppenfoto wird da nicht rauskommen“, befürchtet ein Oppositioneller.
In einer ersten Rohfassung, die der Trentiner Landtagspräsident Bruno Dorigatti heute seinen Kollegen als Diskussionsgrundlage vorlegen wird, ist von „Grenzen als verbindenden Seidenfäden“ die Rede. Grenzen dürften demnach nicht zu „unüberwindbaren Kommunikationshürden“ werden. Im Dokument werden die Sorgen Österreichs als „nachvollziehbar“ bezeichnet, gleichzeitig wird auch eine „Unschlüssigkeit der EU-Politik“ festgestellt. Der Dreier-Landtag sei darum bemüht, die „vorteilhaften Beziehungen zwischen den drei Ländern fortzusetzen“ und Solidarität als gemeinsamen Wert vorzuleben.
Die SVP-Politikerin Maria Hochgruber Kuenzer hofft darauf, dass im ausgearbeiteten Beschlussantrag auch eine „gemeinsame Strategie“ der Europaregion in der Flüchtlingspolitik festgehalten wird. „Dann hätte dieses Treffen einen Sinn“, sagt die Präsidialsekretärin. Ziel müsse es sein, die Ankunft, die Weiterleitung und die Integration der Flüchtlinge gemeinsam und im Gleichschritt zu regeln. „Es hat keinen Sinn, wenn wir hier Formen der Integration entwickeln und dann hundert Kilometer weiter eine völlig andere Strategie verfolgt wird“, sagt Maria Hochgruber Kuenzer. Die Flüchtlingskrise sei zu bewältigen, die vielen Herausforderungen dürften nicht ausgeblendet werden.
„Für den nächsten Dreier-Landtag heißt es Einigkeit zu zeigen und auf einen Beschluss hinzuarbeiten, der von allen getragen wird“, sagt der Tiroler Landtagspräsident Herwig van Staa. Die Europaregion sei das „Symbol für eine erfolgreiche grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa“ und dürfe nicht gefährdet werden. Van Staas Trentiner Kollege Bruno Dorigatti schlägt in dieselbe Kerbe: Der Dreier-Landtag sei dazu da, „Grenzen abzubauen und Gemeinsamkeiten zu finden“.
Maria Hochgruber Kuenzer hat klare Vorstellungen, wie ein von allen drei Ländern mitgetragenes Grenzmanagement aussehen sollte: „Im Beschlussantrag muss klar festgehalten werden, dass es sich bei den Grenzkontrollen um eine zeitlich begrenzte Übergangslösung handelt“, fordert die SVP-Politikerin. Sobald sich die Kriegssituation entschärft habe und wieder Normalität eingekehrt sei, „müssen die Grenzen sofort wieder aufgemacht werden“. Maria Hochgruber Kuenzer rechnet mit einem Zeitrahmen von etwa einem halben Jahr.
Die Forderung der Opposition, die kommende Sitzung des Dreier-Landtags gänzlich dem Thema „Flüchtlingskrise“ zu widmen, lehnten die drei Landtagspräsidenten jedoch ab. Stattdessen soll es am 20. April auch um Projekte zum „Social Housing“, grenzüberschreitende Freiwilligenarbeit, eine Euregio-Notrufnummer und das Gedenkjahr 1918-2018 gehen.
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