„Waren alle besoffen“
Die Tatdynamik des Mordes an dem Obdachlosen Jaroslav Kohl in Bozen war offenbar nicht so eindeutig wie von der Polizei rekonstruiert. Der Beschuldigte Adrian Zelech spricht von einer Tatbeteiligung dreier weiterer Obdachloser.
Von Thomas Vikoler
Zwei von ihnen sitzen vor dem Saal B des Bozner Landesgerichts und warten auf ihre Zeugenaussage, der dritte wird gerade hinter verschlossenen Türen befragt: Obdachlose aus dem Bozner Bahnhofspark, die als Belastungszeugen in einem Beweissicherungsverfahren vorgeladen sind.
Es geht um einen Mord, den Mord an dem 50-jährigen Jaroslav Kohl.
Der frühere Schach-Champion aus Tschechien wurde am Morgen des 10. Jänner tot in einem Radständer vor dem Waltherhaus in der Bozner Schlernstraße aufgefunden.
Laut Autopsie starb Kohl an inneren Verletzungen infolge von Schlägen und Tritten in die Bauchgegend.
Die beiden Obdachlosen verfolgen mit gespannter Aufmerksamkeit, wie der Beschuldigte in diesem Mordverfahren von Gefängniswärtern vorgeführt wird: Adrian Zelech, 21, ein kräftig gebauter Mann mit Nike-Turnschuhen. Er sieht nicht wie ein Obdachloser aus, sondern eher wie ein Disco-Türsteher.
Zelech wurde Anfang Februar in der Nähe von Warschau aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommen, am Dienstagabend von Rom in das Bozner Gefängnis gebracht. Zu Christine Mussner und Hansjörg Buratti, anfangs seine Pflichtverteidiger, nun seine Vertrauensanwälte, sagt Zelech am Rande der Verhandlung: „Ich war an dem Streit beteiligt, habe Jaroslav Kohl aber nicht die Verletzungen zugefügt“.
Das sagte er in ähnlicher Form auch der Polizei nach dem Auffinden der Leiche. Und fügte hinzu, dass die übrigen drei beteiligten Obdachlosen auf Jaroslav Kohl eingetreten hätten. Zelech, damals im Status eines Zeugen, tauchte daraufhin unter. Ein Schuldindiz, aber kein Beweis, dass er den Mord, sofern es einer war, begangen hat.
Die drei von ihm Beschuldigten sagten zur Polizei hingegen: Er war´s. Nun, vor ihrer Zeugenaussage im Gerichtssaal, erklären die drei Obdachlosen: „Alle waren an jenem Abend besoffen“.
Auf dem Video der Überwachungskamera des Laurin-Parkplatzes, das im Saal B abgespielt wird, ist jedenfalls kaum etwas zu sehen: Ein Streit zwischen einigen schwer erkennbaren Personen, Jaroslav Kohl ist nicht im Bild, er sitzt angeblich. Alle Zeugen bestätigen, an dem Gefecht beteiligt gewesen zu sein und bestreiten ebenfalls, gegen den Mann, der später in seinem Schlafsack tot aufgefunden zu haben, getreten zu haben.
„Die Aussagen der drei Zeugen sind sehr verwirrend. Alle sprechen von einem Streit mit Fausthieben, niemand aber von Fußtritten“, berichtet Zelech-Verteidiger Hansjörg Buratti.
Ob es solche gab, soll nun ein pathologisches Gerichtsgutachten klären, das Richter Emilio Schönsberg nun in Auftrag gegeben hat. Die Leiche von Jaroslav Kohl ist weiter in einem Kühlschrank des Bozner Spitals eingelagert. Ein zweiter Gutachter soll herausfinden, ob das Blut des Opfers mit dem an den Kleidern von Adrian Zelech sichergestellte Blut übereinstimmt.
Die Verteidiger bemühen sich derweil um einen polnischen Übersetzer, um mit ihrem Mandanten ausführlich über das Geschehene sprechen zu können. Zelech spricht nämlich kaum Italienisch.
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