Lernen – lebenslang
Die diesjährige Fachtagung des AEB anlässlich des internationalen Welt-Down-Syndrom Tages am 21. März befasste sich mit einem Thema, das das Leben eines jeden Menschen, insbesondere eines Menschen mit Down-Syndrom in herausragendem Maße bestimmt: das Lernen.
Wurde noch bis zum Ende des letzten Jahrhunderts davon ausgegangen, dass geistig behinderte Menschen bildungsunfähig sind (erst 1978 konnte dies durch eine Studie mit Menschen mit Down-Syndrom widerlegt werden), gibt es heute immer mehr Menschen mit Down-Syndrom, die einen Oberschulabschluss schaffen. So auch Silvia Barbarotto, eine junge Frau mit Down-Syndrom, die selbst über ihren erfolgreichen Werdegang an einer Oberschule in Mailand berichtete.
Wie kann Lernen mit Down-Syndrom gelingen? Welches sind die grundlegenden Faktoren? Und können Menschen mit Down-Syndrom auch als Erwachsene noch dazulernen oder gibt es Grenzen?
Diesen grundlegenden Fragen gingen die Referenten der gut besuchten Tagung auf den Grund. Frau Bernadette Wieser, Leiterin des Down-Syndrom Kompetenz-Zentrums „Leben, Lachen Lernen“ in Leoben in der Steiermark betonte in ihrem Referat, dass die individuelle Entwicklung Ausgangspunkt der Förderung sein muss, nicht die spezielle Behinderung. Weiter erklärte sie, dass Menschen mit Down-Syndrom natürlich lebenslang lernen können, sie ging dabei auch auf Maßnahmen und Methoden ein, die hierfür besonders förderlich sind.
Über eine ganz neue Maßnahme, dem EEG-Neurofeedback referierte Günther Goller. Christina Coltro Campi, die Mutter von Silvia Barbarotto und selbst Lehrerin glaubt, dass ihre Tochter vor allem von der inklusiven Schule sehr profitiert hat. Auch sie betont die Bedeutung der individuellen Förderung. In den Workshops von Frau Wieser und Frau Galler am Nachmittag konnten sich die Teilnehmer über die praktische Ausführung der Frühförderung beim Kleinkind bis zu Fördermaßnahmen bei Jugendlichen und Erwachsenen informieren. Dazu zählt auch der in Südtirol neu angebotene und vom AEB initiiertem Dienst „Familienbegleitung und Pädagogische Frühförderung von Kindern mit Beeinträchtigung“.
Besonders wichtig wird das Lernen im Hinblick auf die Arbeitswelt. Andrea Sinno, Vertreter des AIPD (Associazione Italiana Persone Down), definierte die 3 wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Arbeitseingliederung: 1. die Eigenständigkeit der Arbeiter; 2. die Ausbildung vor Ort; 3. die gezielte und unterstützte Eingliederung. Er berichtete, dass von den erwachsenen Mitgliedern des AIPD zur Zeit nur 12% einen unbefristeten Arbeitsvertrag haben, obwohl viel mehr Betroffene die Voraussetzungen dazu hätten. Der Grund dafür sei, dass es trotz Menschenrechtskonventionen immer noch große Vorurteile gegenüber Menschen mit Beeinträchtigung gibt. Auch in Südtirol bilden Menschen mit Down-Syndrom, die einer geregelten Arbeit nachgehen, die Ausnahme.
Wozu soll unser inklusives Schulsystem führen, wenn nicht zu einem inklusiven Arbeitsplatz, der dem Grundbedürfnis eines jeden Menschen nach Selbstverwirklichung und Selbstständigkeit nachkommt? Wir müssten dann aber unsere Vorurteile hinter uns lassen und Vertrauen in die oft erstaunlichen Fähigkeiten unserer Mitbürger mit Down-Syndrom setzten.
Dann können sich Menschen mit einem extra Chromosom auch zu einem Dichter oder Musiker entwickeln, wie Julian Messner und Felix Jörg durch ihre Beiträge eindrucksvoll bewiesen.
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