Der Mietnomaden-Albtraum
Nach 17 nicht bezahlten Monatsmieten hat Ingrid Vieider ?endlich die Räumung ihrer Wohnung erwirkt. Jetzt steht sie vor einem Scherbenhaufen.
Sie ist sichtlich mitgenommen und nervös, faltet und öffnet immer wieder ein Stück Papier und erzählt ihre Geschichte. Ingrid Vieider ist mit ihren Nerven am Ende und hat entschlossen, die kleine geerbte Wohnung zu verkaufen, mit der sie in den letzten Jahren nichts als Scherereien hatte. Mit einem Gerichtsverfahren hat sie die Mietnomaden dazu gebracht aus ihrer Wohnung zu verschwinden. Der Überraschungseffekt, als sie Ende Februar mit Gerichtsvollzieher, Schlüsseldienst und Rechtsanwalt die Wohnung betreten hat, war groß: Die Wohnung glich einer Müllhalde. „Als Ausgleich für 17 nicht bezahlte Monatsmieten und Kondominiumsspesen hat mir das Ehepaar zwei Lieferwagen voll Abfall, Müll, Gerümpel, Wohnungsschäden, Dreck und Graus hinterlassen“, sagt Ingrid Vieider.
Es ist nur eine von vielen Geschichten, die sich in Südtirol mit Mietnomanden zutragen, ist Vieider überzeugt – und für sie selbst ist es nicht das erste Mal, dass sie mit Mietnomaden in Kontakt gekommen ist.Als ihr Vater im Jahr 2011 verstarb, erbte sie eine 40 Quadratmeter große Wohnung. Mit etwas Zeitaufwand und Geld richtete sie die Wohnung her, baute eine neue Küche ein und vermietete sie mit 1.1.2012 an einen jungen Italiener.
Dieser zahlte zwar die ersten drei Monatsmieten dann aber keine mehr. Der Gang zum Rechtsanwalt brachte Ingrid Vieider die Wohnung mit Oktober wieder zurück. Die Räumlichkeiten mussten erneut renoviert und geputzt werden, bevor sie im Januar 2013 neu vermietet werden konnten. Dieses Mal wollte Ingrid Vieider aber auf Nummer sicher gehen und übergab die Wohnung an einen Vermittler. Dieser fand eine Südtirolerin mit einer Fixanstellung in einem Bozner Geschäft. Eineinhalb Jahre verlief alles normal: Die Mieten wurden fristgerecht eingezahlt und auch sonst gab es keine Probleme.
Im Juli 2014 wurde die Eigentümerin von der Mieterin um ein Treffen gebeten. „Sie bat mich, eine Erklärung für die Quästur zu unterschreiben, dass ihr neuer tunesischer Ehemann in der Wohnung leben darf“, so Ingrid Vieider. „Ich war zwar verwundert, habe die Erklärung aber unterschrieben, da ich kein Recht habe, mich in die Beziehung anderer Menschen einzumischen.“
Mit dieser Erklärung kam dann aber auch eine Wende. Die Julimiete und auch jene vom August wurden zwar noch gezahlt, aber von da an kamen die Mieter den Zahlungsaufforderungen nicht mehr nach. „Ich muss zugeben, dass ich nicht immer kontrolliert habe, ob die Miete gezahlt wurde, aber im Mai 2015 habe ich bemerkt, dass seit August keine Miete mehr überwiesen wurde“, sagt Vieider. Die Eigentümerin hat sich daraufhin beim Makler gemeldet, der ein Treffen mit den Mietern organisiert hat. Die Mieterin erklärte zu diesem Zeitpunkt, dass sie momentan in großen finanziellen Schwierigkeiten stecke, aber um etwas Verständnis bitte, da sie in der Wohnung bleiben möchten und sie im Juni nach Tunesien reisen, um das Haus des Ehemannes zu verkaufen und damit die ausständige Miete zurückzahlen würden.
Es vergingen wieder ein paar Wochen, ohne, dass Ingrid Vieider eine Rückmeldung bekam. Der Makler kontaktierte die Mieter erneut und daraufhin hat sich auch der Mann der Mieterin bei Ingrid Vieider gemeldet. „Er hat mir erklärt, dass er das Geld jetzt hat, aber in seiner ausländischen Währung. Ich habe ihm daraufhin erklärt, dass ich das Geld morgen in Euro will, ansonsten einen Rechtsanwalt einschalte. Daraufhin hat er mir nur in entgegnet: ‚Machen Sie doch was sie wollen. Ich weiß genau, dass wir ein oder eineinhalb Jahre in der Wohnung bleiben können, ohne eine Miete zu zahlen.’ und hängte auf“, erzählt die Rentnerin.
Sie schaltete zum zweiten Mal einen Rechtsanwalt ein, der die Zwangsräumung am 29. Februar erwirkte.
Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden Mietnomanden aber bereits aus der Wohnung verschwunden. „Ich habe bei der Arbeitgeberin der Frau nachgefragt und sie hat mir erklärt, dass die Südtirolerin schon im Oktober ihre Abfertigung auf ein Konto in Tunesien überwiesen haben wollte, weil sie eigenen Angaben zufolge dahin ziehen würde“, so Vieider.
Als Ingrid Vieider ihre Mietwohnung betrat, stand sie vor einem Scherbenhaufen. „Diese Menschen haben sicher zwei Jahre lang nicht geputzt. Die Schlafzimmertür war beschädigt, die Haustür aufgebrochen, die Fließen auf dem Balkon zertrümmert, die Badewanne kaputt, die Küche total verdreckt, überall lag Müll“, erinnert sich die Rentnerin an den ersten Anblick. Aus Enttäuschung und finanziellen Gründen wird Ingrid Vieider die kleine Mietwohnung jetzt verkaufen: „Diese Wohnung hat mich in den letzten Jahren mehrere Tausend Euro gekostet, weil ich einen Mietausfall hatte, die Spesen für Räumung und Rechtsanwalt übernehmen musste, Steuern gezahlt habe, den Makler usw.“
Zudem muss die gebürtige Boznerin ihrer Mutter den Mietgeld-Ausfall zahlen, den sie aufgrund der EEVE-Regelungen wegen der kleinen Wohnung ihrer Tochter erlitten hat. „Ich lebe in einer Mietwohnung und habe diese kleine Erbwohnung an Dritte vermietet, weil ich keine Kinder habe“, so Vieider. Aus diesem Grund wurde der Mutter der Mietzuschuss gestrichen. „Ich kann doch nicht von meiner fast 90-jährigen angeschlagenen Mutter verlangen, umzuziehen, wo sie seit mehr als einem halben Jahrhundert in derselben Wohnung lebt“, ärgert sich Ingrid Vieider. Sie lebt selbst seit 30 Jahren in Miete, habe sich immer an alle Regeln gehalten und auch einem Landespolitiker das Problem dargestellt (auch im Sinne anderer Betroffenen), sowie um Ratschlag gebeten. Aber für ihn war es wohl eher uninteressant. „Ich bin einfach nur enttäuscht“, so Ingrid Vieider.
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