„Organisierte Hetze“
Die Südtiroler Hausärzte erheben schwere Vorwürfe gegenlas Land – und stellen Ressortdirektor Mattias Mayr die Rute ins Fenster.
Die Protestmassnahme der Hausärzte, die sich weigern, die Ticketbefreiungen aus Einkommensgründen an den Medikamentenrezepten nicht mehr anzubringen (bei Verschreibungen von Fachvisiten, Untersuchungen, Blutproben oder anderes wird die Ticketbefreiung wie gesetzlich vorgeschrieben angebracht), geht unverändert weiter.
Während das Gesundheitsressort von Beschwerden durch aufgebrachte Patienten spricht, haben die protestierenden Hausärzte (die rein statistisch pro Tag ca. 7000 Patientenkontakte haben) durchaus nur Solidaritätsbekundungen entgegengenommen, teilen Sie in einer Aussendung mit.
Die Hausärzteschaft empfindet es als eine „Frechheit“, dass sich die Landesbeamten „fieberhaft an der destruktiven Taktik von Diskreditierung, Drohgebärden und Bekämpfung festklammern, anstatt zu überlegen, warum eine bisher so beliebte Berufsgruppe sich gezwungen fühlt, zu einer so drastischen Protestmassnahme greifen zu müssen“.
Innder geharnischten Aussendung heißt es außerdem:
„Wie bei einer organisierten Hetze versucht die Landesverwaltung bei den Medien dem Hausarzt das Bild des geldgierigen, seinen Hypokrates-Eid-brechenden Egoisten zu verpassen, der nicht davor zurückscheut, unter Anwendung einer Straftat die ärmsten und schwächsten unter seinen Patienten zur Kasse zu bitten, um sich noch mehr Geld unter die Nägel zu reissen.
Sich selber stellen sie als die guten Helfer der Bevölkerung (ihres Arbeitgebers) dar, die Mitleid für die nun „geschädigten Armen und Schwachen“ empfinden.
Auch die Drohgebärden der Landesbeamten gegen die Hausärzte sind dabei keinesfalls geringer geworden: mit dem Aufruf an die Patienten zur Strafanzeige und der anhaltenden Drohungen eines Strafverfahrens an Gewerkschafter und protestierende Hausärzte weicht die öffentliche Verwaltung keinen Zentimeter von ihrer Härtelinie ab, in der Meinung, sich im juridischen und moralischen Recht zu befinden.
Die Hausärzte und ihre Anwälte sind hingegen der festen Überzeugung, dass die Verpflichtung zur Anbringung der Ticketbefreiungen aus Einkommensgründen erstens eine rein verwalterische nichtärztliche Aufgabe ist (die Apotheker haben sich zurecht gegen diese Aufgabe gewehrt, und zu ihrem Glück mit Erfolg), dass diese zweitens mit einem nicht gesetzeskonformen Beschluss der Landesregierung eingeführt wurde, und dass diese Aufgabe drittens trotz einer vertraglich vereinbarten Verpflichtung nicht mehr erbracht werden muss, wenn die Vergütung dafür aus dem Vertrag wegen fehlender Gesetzeskonformität herausgenommen werden musste.
Die Anwälte der Gewerkschaft FIMMG haben am Mittwoch dem Ressortdirektor Michael Mayr eine Abmahnung („diffida“) zugestellt, in der er aufgefordert wird, ab sofort sein gewerkschaftsschädigendes Verhalten, die Verleumdungen des Hausarztbildes sowie die Drohungen (von Strafanzeigen wegen Unterbrechung eines öffentlichen Dienstes) gegen öffentliche Beamte (=Hausärzte) einzustellen.
Er wird darin ferner aufgefordert, sich umgehend für dieses rechtswidrige Verhalten öffentlich zu entschuldigen, und dafür zu sorgen, dass neue Verhandlungen in einem Klima des Respektes gegenüber dem Hausarztberuf aufgenommen werden.
Die Landesverwaltung hätte durchaus die Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit mit einem eigenen Beschluss die Erfassung der Einkommenssituation der Patienten umzuändern und den Betroffenen diese Mehrkosten der Medikamententickets zu ersparen, tut es aber nicht. Wahrscheinlich will man zeigen, wer das Sagen hat, und vielleicht will man auch etwas Geld (die täglichen Gesamtbeträge sind hoch) in die eigenen Kassen spülen, auf dem Rücken der „ärmsten und schwächsten Bürger“.
Die Verwalter versuchen bewusst, die Forderungen der Hausärzte als immens und unberechtigt hinzustellen („weitere 2,5 Millionen Euro“, und das „ohne etwas dafür zu bieten“) und dies als „Erhöhung ihres Verdienstes“ darzustellen.
Die Hausärzte sind hingegen der Meinung, nur eine einzige und mehr als berechtigte Forderung gestellt zu haben: dieselbe Vergütung für die bisherigen, unveränderten Aufgaben, keinen Cent mehr. Die sogenannte „Qualität“ oder besser gesagt der Nachweis der Qualität und der Quantität der geleisteten Arbeit, ein weiteres bürokratisches Monster, dienlich einzig der Fütterung mit Daten der in der Zwischenzeit wohl arbeitslos gewordenen Beamten, wollen sie gerne anbieten, aber dans gegen zusätzliche Spesenvergütung.
Die Hausärzte erinnern an den lächerlich niedrigen Ausmass der sogenannten „Kopfquote“, pro Patient 40 Euro brutto pro Jahr (!), die die Verpflichtung der Rundumversorgung abgelten soll. Jeder Leichenbestatter verdient mehr am Tod eines Patienten, als der Hausarzt für die Betreuung dieses Patienten sein ganzes Leben lang.
Die sogenannten „Zusatzquoten“ für chronisch Kranke von 20 Euro-Cent pro Jahr (Sie haben nicht falsch gelesen: 20 Cent für ein Jahr Betreuung eines chronisch Kranken) oder von 50 Euro pro Monat (= 30 Cent pro Stunde), damit der Hausarzt rund um die Uhr am Handy erreichbar ist (statt wie bisher über Anrufbeantworter: ein Riesenunterschied) stellen per se schon eine Beleidigung des Berufes des Hausarztes dar.“
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