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Dieb beim Maturaball

Nach ihrem Maturaball vermisst eine Eisacktaler Schulklasse mehrere Tausend Euro und den Hauptgewinn der Los-Ziehung. Es läuft eine Anzeige gegen die eigene Klassensprecherin.

Von Anton Rainer

Der Maturaball, bei dem der Streit ums Geld keine Rolle spielt, muss wohl erst noch erfunden werden. Der Fall, den die fünfte Klasse einer Südtiroler Oberschule im vergangenen Jahr erlebt hat, aber hat Seltenheitswert. In der betreffenden Ortschaft sorgt der Vorfall seit Monaten für lebhafte Diskussionen, nun könnte er auch rechtliche Konsequenzen haben. An seinem Ende stehen mehrere Anzeigen, ein Schulabbruch, eine isolierte Klassensprecherin und ein möglicher Diebstahl von mehreren tausend Euro.

Am Anfang aber steht vor allem ein Wunsch: Man wollte, so erzählen Beobachter, bei dem Maturaball möglichst viel Geld einnehmen – und Andrea übernahm die Sache mit den Finanzen.

Zu diesem Zeitpunkt ist „Andrea“ seit zwei Jahren Klassensprecherin, ihr richtiger Namen, noch gilt die Unschuldsvermutung, soll derzeit nicht in der Zeitung stehen.

Dafür gibt es einen guten Grund: Die Klasse verdächtigt die 19-Jährige, das bringt sie in einer der TAGESZEITUNG vorliegenden und von sämtlichen Schülern und Schülerinnen unterschriebenen Anzeige mittlerweile zum Ausdruck, mehrere Tausend Euro unterschlagen zu haben. Den genauen Betrag will man darin noch nicht nennen. Konservative Schätzungen gehen allerdings von 7.000 bis 8.000 Euro aus – aber auch fünfstellige Beträge wurden bereits genannt. Was nach einer geringen Ausbeute klingt, dürfte für die betroffene Klasse jedoch eine mittelschwere Katastrophe gewesen sein. Statt einem Batzen Geld stand für jeden Schüler am Ende ein Minus von rund 200 Euro, Sponsorengelder mit eingerechnet.

Auch manche Elternteile fühlten sich nun bestohlen, sagen Bekannte, schließlich wären sie bei den Bestellungen äußerst großzügig gewesen. Finanziert werden sollte eine Maturareise ans Meer.

Dass es dazu nun nicht kommen sollte, wurde den Schülern offenbar erst Wochen später klar – als man damit begann, den Abend des Balls noch einmal von vorne aufzurollen.

„Ein Problem“, erinnert sich ein Ballgast, „war wohl die Art und Weise, wie während des Abends das Geld eingesammelt wurde.“ Klassensprecherin und Vize hätten Zugang zu einem abgeschlossenen, lichterlosen Raum gehabt, in dem die Scheine „auf einen Haufen geworfen wurden“. Das Geld selbst wurde nach Informationen der TAGESZEITUNG nicht beziehungsweise erst Tage später gezählt – von der Beschuldigten selbst. Und: Statt das Geld in den vorgesehenen Nachttresor zu bringen, bunkerte Andrea die Einnahmen des Maturaballs bei ihrem Freund. Gleich daneben: Der von ihm gewonnene Hauptgewinn des Los-Spiels, ein zweitägiges Wellness-Wochenende. „Im Nachhinein hätten bei den Schülern alle Alarmglocken schrillen sollen.“, sagt ein Beobachter.

Das taten sie jedoch erst mehrere Wochen später, als erste Abrechnungen von Lehrerinnen und Eltern kontrolliert wurden – weil Andrea ihre Belege wie ein Staatsgeheimnis hütete. Das Ergebnis: Einnahmen, die rund doppelt so hoch waren wie die von der Klassensprecherin angegebenen Bankeinlagen. Schüler und Eltern baten um eine Aussprache, irgendwie musste die Differenz doch zu erklären sein. Man traf sich an einem Dienstag-Abend, berichten Zeugen, zwei Stunden lang wurde über die Verluste diskutiert – aber nicht nur. Als die Beschuldigte immer aggressiver auf die Vorwürfe reagierte, konfrontierte ein Elternteil deren Freund mit einer weiteren offenen Frage: Hat er denn wirklich mit seinem Los das Wellness-Wochenende für Zwei gezogen? Der Freund der Klassensprecherin verneinte energisch. Ihre Rechtfertigung: „Gut, dann habe ich halt einmal gelogen.“

Dass es sich auch in einer Klassengemeinschaft auszahlt, Kontoinhaber bei ihrer Tätigkeit zu kontrollieren, zeigte sich kurz darauf, als Schüler und Eltern damit anfingen, Rechnungen der vergangenen Jahre zu kontrollieren: Plötzlich fielen doppelte Abbuchungen ins Auge, niemals eingezahlte Barbeträge – und weitere Unregelmäßigkeiten, von denen man sich nun Klärung erhofft. Andrea selbst hat die Schule mittlerweile verlassen, nur wenige Monate vor ihrer Abschlussprüfung.

Die TAGESZEITUNG hat versucht, sie mit diesen Vorwürfen zu konfrontieren. Über ihren Anwalt ließ die ehemalige Klassensprecherin ausrichten, man prüfe derzeit eine Anzeige wegen Rufschädigung. Die Klasse scheint sich von derartigen Drohungen jedoch nicht einschüchtern zu lassen: Derzeit warnt man andere Schulen davor, bei eigenen Maturabällen ähnliche Fehler zu machen.

Zumindest in einem Punkt endet die Episode für die Schüler übrigens glimpflich: Statt auf die teure iberische Halbinsel geht die Maturareise nun „nur“ noch in den billigeren Osten. Die Getränkerechnung dürfte dort um einiges niedriger ausfallen.

 

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