Das versteckte Privileg
Der Regionalrat führt klammheimlich eine Unfallversicherung für die Abgeordneten ein. Der Steuerzahler muss für zwei Drittel der Jahresprämie im Wert von 760 Euro aufkommen.
Von Matthias Kofler
Claudio Cia schüttelt entschieden den Kopf: „Ich konnte nicht anders, als auf diese Versicherung zu verzichten – denn das bin ich meinen Wählern schuldig“, sagt der Trentiner Abgeordnete.
Was ist passiert?
Der Regionalrat hat mit Jahresbeginn klammheimlich eine Unfallversicherung für die Abgeordneten abgeschlossen. Brisant dabei: Die Jahresprämie, die pro Mandatar stolze 760 Euro ausmacht, wird zu zwei Dritteln von der öffentlichen Hand bezahlt. Die Abgeordneten müssen hingegen nur 253 Euro im Jahr selbst zur Versicherung beisteuern.
Ein neues Privileg für die Volksvertreter.
Im vergangenen Sommer war bekannt geworden, dass der Regionalrat eine Art Lebensversicherung für die Abgeordneten plante. Weil der Aufschrei groß war, ruderte das Präsidium rasch zurück und erklärte: Eine Versicherung werde es nur dann geben, wenn jeder Abgeordnete, der die Dienstleistung in Anspruch nehmen will, zu Hundert Prozent selbst dafür aufkomme.
„Wir werden die Polemiken beseitigen“, erklärte die SVP-Präsidialsekretärin Veronika Stirner Brantsch im Juni.
Präsidentin Chiara Avanzo verteidigte sich mit den Worten: „Ich habe nach dem Tod von Diego Moltrer in gutem Glauben gehandelt.“ Sie habe nicht gedacht, dass der Vorschlag auf solchen Widerstand stoßen und als weiteres Privileg für die Politiker betrachtet würde.
Der ehemalige Regionalratspräsident Diego Moltrer war im November 2014 im Alter von 47 Jahren bei einem Jagdausflug an einem Herzinfarkt gestorben.
Offensichtlich waren die Abgeordneten mit dem Rückzieher des Präsidiums aber nicht einverstanden: Im Herbst folgte der Rückzieher vom Rückzieher.
Der TAGESZEITUNG liegt ein Schreiben des Regionalratspräsidiums, datiert vom 9. November 2015, vor. Darin teilt Chiara Avanzo den Abgeordneten mit, dass die Versicherungsagentur „Zürich Assicurazioni Srl“ am 26. Oktober den Wettbewerb um die Unfallversicherungen für die Abgeordneten gewonnen habe. Bis 19. November habe jeder Mandatar nun Zeit, eine dem Brief beigelegte Anlage auszufüllen, um auf die Unfallversicherung zu verzichten.
Ansonsten gelte die stillschweigende Zustimmung.
Die Versicherung sieht pro Mandatar eine Jahresprämie von 760 Euro vor. 500 Euro davon bezahlt der Regionalrat, also der Steuerzahler. Die restlichen 253,33 Euro werden den Abgeordneten hingegen jährlich vom Gehalt abgezogen. Ein Abgeordneter zum Südtiroler oder Trentiner Landtag verdient rund 5.500 Euro netto im Monat.
Die Versicherung gilt für Unfälle in Ausübung des Mandats, aber auch für Unfälle, die die Abgeordneten in der Freizeit, beim Sport oder bei privaten Arbeitstätigkeiten erleiden. Die Versicherung sieht im Falle eines Krankenstandes oder eines Krankenhausaufenthaltes einen Tagessatz von 100 Euro vor. Im Falle einer dauerhaften Invalidität wird den Versicherten ein Kapital von insgesamt 500.000 Euro ausbezahlt. 500.000 Euro erhalten die Hinterbliebenen im Falle eines verfrühten Ablebens des Abgeordneten.
Für Claudio Cia ist diese Versicherung nicht vertretbar, da sie sich zu stark von jenen eines „normalen“ Arbeitnehmers unterscheide: Nicht nur, weil der Steuerzahler zum Handkuss kommt und zwei Drittel der Prämie bezahlen muss. „Es ist auch so, dass das Versicherungskapital zusätzlich zum Abgeordnetengehalt ausbezahlt wird“, weiß der Trentiner Abgeordnete.
Bei einem „normalen“ Arbeitgeber hingegen springe die Versicherungsagentur beim Ausfall eines Mitarbeiters ein und entlaste damit den Arbeitgeber. Der „normale“ Arbeitnehmer verdiene also – im Gegensatz zu einem Abgeordneten – nicht doppelt. Zudem reiche bei der Unfallversicherung der Politiker ein einfaches Zeugnis des Hausarztes.
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